Kunst und Gewalt

An den Münchner Kammerspielen bringt Pinar Karabulut «Das Erbe» von Nuran David Calis zur Uraufführung, und Daniela Kranz inszeniert im Marstall «Die Ereignisse» von David Greig mit wechselnden Chören. Beide rühren an kollektive Traumata

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Wie spielen mit der Erinnerung? Was hilft, was verfälscht, welche Grenzen sind zu respektieren, welche gilt es zu überschreiten? Für die Münchner Kammerspiele hat Nuran David Calis ein Stück über die frühen 1990er Jahre und die menschenverachtenden Anschläge von Mölln geschrieben, aus Sicht einer türkischstämmigen Familie, die nicht unmittelbar betroffen ist und doch in der Folge den Glauben an ihren gesellschaftlichen Aufstieg verliert.

Das Residenztheater bringt David Greigs Annäherung an die Terrorattentate von Oslo und auf das Ferienlager Utøya zur Aufführung – in jeder Vorstellung mit einem anderen Laienchor. 

Es ist kein Zufall, dass der Premierenabend an den Kammerspielen auf den 30. Jahrestag der Brandanschläge von Mölln fällt. Die Gewalttaten von damals und das mediale Echo, eine Mischung von Misstrauen, Abwehr und Gleichgültigkeit, bilden den Hintergrund einer erfolgreichen Integrationsgeschichte, die Nuran David Calis hier skizziert, um sie gleich wieder auszuradieren. 

Am Ende von «Das Erbe» laufen wie ein Abspann Daten und Namen der vielen Opfer rechter Gewalt seit den 1990er Jahren bis heute über die große Leinwand – ein Moment der Stille nach viel schrillem ...

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Theater heute 1 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 15
von Silvia Stammen

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