«Kommen Se rinn, da können Se rauskieken»

Der Dramaturg Hermann Beil hat seine Laudatio auf Karl-Ernst Herrmann zur Verleihung des Hein-Heckroth-Preises aus dem Jahr 2005 nach dessen Tod mit einem Epitaph versehen: Erinnerungen an einen poetischen Realisten, der in Räumen dachte

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«Kommen Se rinn, da können Se rauskieken.» – dieser traditionelle Jahrmarktsausruf ziert als Motto jenen Katalog, den Karl-Ernst Herrmann und Erich Wonder zu ihrer gemeinsamen Ausstellung «Inszenierte Räume» im Hambur­ger Kunstverein 1979 herausgegeben haben. Die lakonische wie verheißungsvolle Aufforderung ließe sich durchaus als eine witzige Weltformel für Karl-Ernst Herrmanns bildnerische und inszenatorische Phantasie anwenden, entspricht sie doch seiner persönlichen direkten Redeweise.

 

Der Spruch «Kommen Se rinn, da können Se rauskieken» lädt uns ein und verspricht uns ein Erlebnis: Trauen wir uns nun in Herrmanns Räume hinein, so erwarten uns dort tatsächlich die schönsten, die verwirrendsten, die sehnsuchtsvollsten, die erregendsten, die kühnsten Ausblicke – nämlich auf uns. Und sogleich auf unerwartet überwältigende Überraschungen. Die Fenster, die Herrmann in seine Bühnenräume setzt, sind Fenster nach draußen und drinnen zugleich, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Diese Fenster sind Horizont und Erwartung. So wie seine Türen Weite und Beginn, Abgrund, hermetische Enge oder das geheimnisvoll Unbekannte imaginieren. 

Nicht weit von dem kleinen Stadttheater Gießen, ...

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Theater heute Juli 2018
Rubrik: Nachruf, Seite 38
von

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