Im Wunderland der enttäuschten Hoffnungen
Alles nette Leute. Und niemand sagt etwas allzu Böses. Nichtsdestotrotz dürften mindestens 35 Prozent von ihnen demnächst AfD wählen, wenn man auf die Umfragen hört. Die Gründe sind sicher vielschichtig, aber wer sich dafür interessiert, warum die rechtsextreme Partei in Ostdeutschland bald Ministerpräsidenten stellen könnte, kommt um Lukas Rietzschels «Das beispielhafte Leben des Samuel W.» kaum herum.
Das «Theaterstück aus Interviewsequenzen», so der Untertitel, besteht aus montiertem Schnipselmaterial von über 100 Gesprächen, die der Autor zwischen Januar und September 2022 geführt hat; ein paar davon sind frei erfunden: «Genau lässt sich das nicht mehr zuordnen, schade», meint er. Kein großes Malheur. Rietzschel hat einmal kräftig umgerührt in der Ursuppe der Meinungen, Erinnerungen, Projektionen, Hoffnungen und Erfahrun -gen im tiefen Sachsen.
Als Rahmenhandlung dient eine Bürgermeisterwahl des Amtsinhabers Bernd gegen einen schon als übermächtig gefühlten Gegenkandidaten, der sich am Ende überraschend zurückziehen wird, weil er inzwi -schen nach Höherem strebt als Stadtoberhaupt in der Provinz. Rietzschel dementiert, dass es sich bei «Samuel W.» um Sebastian Wippel aus ...
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Theater heute April 2024
Rubrik: Das Stück, Seite 52
von Franz Wille
Etwa zur Halbzeit der Inszenierung – der jüdische Mathematikprofessor Josef Schuster ist gerade beerdigt worden – hoppelt eine Mumie auf die Bühne. Vom Scheitel bis zur Sohle ist Birgit Minichmayr in Mullbinden gewickelt, sodass sie sich nur hüpfend fortbewegen und anfangs flach liegend auf einem Stuhl balancieren kann – reife Leistung für die Bauchmuskeln. Selbst...
Die beste Pointe kommt gleich am Anfang: Da sitzen Ferdinand (Sasha Melroch), Alonso (Steven Sowah), Gonzalo (Maximilian Reichert) und Antonio, hier Antonia (Marie Goyette) vor dem Vorhang im Flieger Richtung Neapel. Aus Shakespeares Schiff ist ein Luftschiff geworden, mit an Bord Ariel als unheilbringende Flight Attendant (Tabita Johannes), die den titelgebenden...
Es war sehr schwierig, Ihre Figuren zu begreifen. Wer waren sie?» Das war die erste Frage beim Publikumsgespräch nach der Lesung von «Rocco Darsow» am Goethe-Institut Tokio im Juli 2016. Ich antwortete: «Es gibt keine Figuren, wir sind einfach wir selbst, die vier Schauspieler:innen.» Ein Zuschauer: «Aber welche Gefühle wollten Sie bei uns hervorrufen?» Ich:...