Schmerzenskabarett
Etwa zur Halbzeit der Inszenierung – der jüdische Mathematikprofessor Josef Schuster ist gerade beerdigt worden – hoppelt eine Mumie auf die Bühne. Vom Scheitel bis zur Sohle ist Birgit Minichmayr in Mullbinden gewickelt, sodass sie sich nur hüpfend fortbewegen und anfangs flach liegend auf einem Stuhl balancieren kann – reife Leistung für die Bauchmuskeln.
Selbst in dieser unmöglichen Lage hat ihr Robert Schuster, der Bruder des Toten, genügend Kraft, um in breitestem Wienerisch durchs Mundloch abzuschmähen: «mich wundert ja, dass nicht das ganze österreichische Volk / längst Selbstmord gemacht hat / aber die Österreicher insgesamt als Masse / sind heute ein brutales und dummes Volk / In dieser Stadt müsste ein Sehender ja / tagtäglich rund um die Uhr Amok laufen / Was diesem armen unmündigen Volk geblieben ist / ist nichts als das Theater».
Großes Gelächter. Nicht wenige Zuschauer:innen dürften bereits die vom damaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann verantwortete legendäre Uraufführung von Thomas Bernhards «Heldenplatz» mit eigenen Augen gesehen haben; 1988, als eine breite Front vom sozialdemokratischen Bürgermeister Zilk über die «Kronen-Zeitung» bis zum damaligen ...
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Theater heute April 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Eva Behrendt
Nach Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine öffnen Helena (Nicole Averkamp) und ihr Sohn Luka (Simon Mazouri) ihr Zuhause für Olena (Vladlena Sviatash) und deren Tochter Marysja (Kateryna Kravchenko), die vor dem Krieg geflohen sind. Zwei Lebensrealitäten treffen so in Simone Geyers Inszenierung auf -einander, die im gemeinsamen Alltag ausgehandelt...
An schlechten Tagen wacht sie gar nicht auf, hat sich ins Schlafzimmer zurückgezogen, ist zugedröhnt von ihren Tabletten und überlässt ihre drei Kinder sich selbst. An guten Tagen aber steht sie plötzlich mit der Badetasche im Flur, macht Stress, ob die Schwimmsachen für den Ausflug ins Hallenbad schon eingepackt sind. Im Auto läuft Musik, «Bello e impossibile»,...
Im Alltag kleiner Dinge lauert hier manchmal das Abenteuer. Und das Theater steht mittendrin: in der Heidelberger Altstadt. Gleich nebenan ziehen Legionen von Touristen vorbei, vom Bismarckplatz herauf durch die Hauptstraße, an der Uni vorbei und am «Güldenen Schaf», hin zur Heiliggeistkirche; und die Sprachen aus der Fremde mischen sich mit den fremden Sprachen,...