Im Matriarchat

Kae Tempest «Paradise» (DSE) am Theater Münster

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Philoktetes ist der größte griechische Kämpfer im Krieg um Troja, unbesiegbar und ausgestattet mit einem magischen Bogen. Allerdings leidet er nach einem Schlangenbiss unter einer eiternden und ekelhaft stinkenden Wunde, weswegen die Armee ihn aus Gründen der Kampfmoral auf einer Insel aussetzte. Dumm nur, dass damit auch das Schlachtenglück perdu ist, weswegen Odysseus und Neoptolemus den Verstoßenen zurückholen sollen. Worauf dieser nachvollziehbarerweise wenig Lust hat – und entsprechend mit einer List gelockt wird.

»Philoktet» ist mit eines von Sophokles’ spannendsten, hintergründigsten Dramen, von Heiner Müller 1965 als clowneske Allegorie auf Staatsraison und Solidarität überschrieben.

Die britische Autor:in, Spoken-Word-Künstler:in und Musiker:in Kae Tempest nimmt mit «Paradise» direkt Bezug auf Müller, dreht dessen politische Analyse allerdings ins Feministische. Wie auch bei Sophokles gibt es bei Tempest einen Chor aus Bewohnern der Insel – hier ausschließlich Frauen (die als hübscher Gendertrouble mehrheitlich männlich besetzt sind). Freilich sind sie nicht schon immer vor Ort, sondern in den Kriegswirren auf der Insel gestrandet, Flüchtlinge, Boatpeople – dieses ...

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Theater heute 2025
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Falk Schreiber

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