Heldenbeschwörung

Lessing «Philotas»

Theater heute - Logo

Dumm gelaufen das. Gleich der erste, dem Papa mühsam abgetrotzte Fronteinsatz des jungen Nachwuchsfeldherrn wird zum Reinfall, der unvorsichtige Königssohn gefangengenommen. Als Geisel droht er zum entscheidenden Minuspunkt im taktischen Verhandlungspoker der verfeindeten Mächte zu werden, und von der Schramme, die er dabei abbekommen hat, wird ihm nicht einmal eine dekorative Narbe bleiben.

Als schwacher Trost stellt sich zwar bald heraus, dass auch der Sohn des gegnerischen Königs Aridäus in Gefangenschaft geraten ist und sich somit ein schneller, strategisch folgenloser Austausch abzeichnet – doch das Unternehmen Unsterblichkeit ist – jedenfalls fürs erste – kläglich gescheitert. 

So steht es zu Beginn von Lessings frühem, noch nicht bürgerlichen Trauerspiel «Philotas» aus dem Jahr 1759, in dessen weiterem Verlauf sich die narzisstische Kränkung des Titelhelden zur fixen Selbstmordfantasie auswächst. Um die Verhandlungsposition des Vaters zu stärken, meint er, sich kurzerhand selbst aus der Welt schaffen zu müssen. Dabei ist der törichte Wirrkopf in lichten Momenten durchaus in der Lage, die Fragwürdigkeit seiner pubertären Opferwut zu ahnen: «Möglich zwar genug, daß es im ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juni 2006
Rubrik: Chronik, Seite 37
von Silvia Stammen

Vergriffen
Weitere Beiträge
Projekt Weltverbesserung?

Das Haus ist groß und leer, ein white cube aus Rigips mit Satteldach. So gemütlich sehen die Mannschaftszelte von innen aus, die von der Bundeswehr in Katastrophengebieten zur Erstversorgung aufgestellt werden. Nun sprengt die Notunterkunft beinahe die geräumige Bühne des Hamburger Schauspielhauses, und trotz ordentlicher Belegung bleibt noch viel Platz für...

Reigen stechender Mädchen

Mit «Sein Dasein war ihm eine notwendige Last. – So lebte er hin» endet Büchners «Lenz». Wollte man die Novelle für die Bühne bearbeiten, müsste man den wahnsinnig exzentrischen, fatalen Charakter in all seiner Widersprüchlichkeit darstellen. Das noch größere Problem wäre allerdings, dass jeder sich fragen würde, warum nicht gleich den «Woyzeck» inszenieren – mit...

Mal was ganz Verrücktes

Anfang der siebziger Jahre bestand das französische Paradies noch aus Fleisch. Marco Ferreris Skandalfilm «Das große Fressen» (1973) legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab: In einer verlassenen Vorstadtvilla erschaffen vier Männer in den besten Jahren, dargestellt von den Stars des franco-italienischen Kinos, ein Schlaraffenland aus Nacktem und Gegrilltem. Ein...