Haltung und Unterhaltung

Eine Rückkehr alter Regiehelden auf die Hamburger Bühnen: Am Thalia Theater inszeniert Luk Perceval Hans Falladas «Wolf unter Wölfen», am Deutschen Schauspielhaus Jossi Wieler Virginia Woolfs «Orlando»

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Auf dem Land braut sich was zusammen. Die Bauern kommen mit den Kostensteigerungen nicht klar, außerdem finden sich kaum willige Erntehelfer, und rechte Kreise versuchen, die Unzufriedenheit zu nutzen. Aufruhr wird angezettelt, manche bewaffnen sich, es wird vom Umsturz gemunkelt. Wir schreiben das Jahr 1923, und die Parallelen zur Gegenwart sind augenfällig. So augenfällig, dass man schon wieder skeptisch werden könnte – das passt einfach zu gut.

Jedenfalls beweist die Dramaturgie am Hamburger Thalia Theater einen guten Riecher, Hans Falladas Weimarer-Republik-Sittengemälde «Wolf unter Wölfen» im Winter 2024 auf die Bühne zu bringen: Rechts beseelte Bauern, die die Demokratie aushebeln wollen, vermitteln reizvollen Politgrusel, wenn parallel dazu echte Bauern mit ihren Traktoren den Jungfernstieg blockieren. Und wenn man weiß, wo die Unzufriedenheit mit den Umständen zu Falladas Zeit am Ende hinführte, dann raunt auch ein Theaterspielplan von der Gegenwärtigkeit eines 100 Jahre alten Stoffs.

Zehn Jahre davor

Luk Perceval allerdings weiß, dass er schon auf der Inhaltsebene extrem viel Gegenwartsbezug zur Verfügung hat, da muss er die Inszenierung gar nicht mit Verweisen aufs Heute ...

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Theater heute März 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 11
von Falk Schreiber

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