Gegenkritik
Das Leben ist wie ein Buster-Keaton-Film: brutal, todtraurig, verlogen, verzweifelt und komisch. Siegfried Kracauer sagte einst über diesen kleinen, schmalen Mann mit dem stoischen Gesichtsausdruck, er habe seine Beziehung zum Le-ben verloren. «Die vielen Gegenstände: Apparate, Baumstämme und Menschenkörper veranstalten ein Kesseltreiben mit ihm, er kennt sich nicht mehr aus, er ist unter dem sinnlosen Druck der zufälligen Dinge apathisch geworden.» Dieses unsichtbare Grinsen eines Buster Keaton durchzieht Gorkis fast filmisch angelegte Szenenfolge «Kinder der Sonne».
Doch während Keaton stumm bleibt, dürfen Gorkis Figuren mit ihrem ununterbrochenen Gerede über ihre Lebensunfähigkeit hinwegtäuschen. Auch auf der Bühne reden die Menschen unentwegt, sprechen über die Zukunft und bleiben doch nur in ihrer gegenwärtigen Selbstbezüglichkeit verhaftet. Verkommt in dieser Inszenierung Gorkis utopischer Gedanke nur zum Fluchtpunkt, um plappernd der überfordernden Gegenwart zu entgehen? Kann und will dieser Abend sich überhaupt eine Zukunft vorstellen? Wohl eher nicht – so der Haupteinwand vieler Kritiken. Zeigt die Inszenierung letztlich nicht nur die Resignation nach dem Ende aller ...
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