Fortschritt und Tragödie
Schwarze, geschlechtsneutrale Gewänder in nebeldüsterem, schwarzem Bühnenraum; nur ein dünner blauer Neonkreis – ein schmaler Sonnenrest? – hängt über der Bühne. Tastende Schritte einer eng zusammengedrängten Menschengruppe, die langsam, mit großen Pausen einzelne Wörter hervorstößt, von Mikroports hallig verstärkt. Irgendwann schleicht sich ein tiefes Brummen in die Tonspur (Kompositon Nico van Wersch), gefolgt von metallischen Geräuschen, die verdächtig nach Messerwetzen klingen. Später kommen an- und abschwellende Klangflächen dazu, Marke Feuerwehrsirene.
Man muss kein Hellseher sein, um Ulrich Rasches «Ödipus» im Deutschen Theater Berlin ein unschönes Ende zu prophezeien.
«König Ödipus» wird gerne unterschätzt. Sophokles’ Tragödie ist nicht so geschlossen und selbsterklärend, wie sie scheint. Die Geschichte des Thebaner-Königs, der während einer Pest-Epidemie bei eiligen Nachforschungen auf die schlimmsten Familienverbrechen – Vatermord, Inzest – stößt und stürzt, ist zwar äußerlich ein makellos gestrickter Recherche-Krimi, der erfolgreich alle dunklen Stellen aufdeckt. Doch die eigentlichen Fragen ließ der Autor geschickt changieren. Wenn man dem Orakel der Götter nicht ...
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Theater heute November 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Franz Wille
Es ist eine gute Sache, wenn man Krankheiten frühzeitig entdeckt. Dann lässt sich noch was machen. Und für die Umgebung ist es auch praktisch, wenn man frühzeitig über den Gesundheitszustand des Gegenübers Bescheid weiß: Wenn klar ist, dass ein potenzieller Liebhaber den Hang zur Depression in sich trägt, dann verliebt man sich vielleicht besser nicht in ihn. Wenn...
Belästigung, Erniedrigung, Psycho-Spielchen und sexuell übergriffiges Verhalten abseits der Bühne: So lauteten die Vowürfe, mit denen Jan Fabre von einer Gruppe ehemaliger Mitglieder seiner Antwerpener Kompanie Troubleyn in einem offenen Brief konfrontiert wurde, der im belgischen Kunstmagazin «Rekto:Verso» erschien. Unmittelbarer Auslöser des Protestschreibens war...
Franz Wille Ab 2022 sind Sie der neue Intendant der Berliner Festspiele. Gratulation – denn es ist ja einer der Leuchtturm-Jobs im deutschen und vor allem Berliner Kulturbetrieb! Womit haben Sie denn die Findungskommission und die zuständige Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, überzeugt?
Matthias Pees Da kann ich nur mutmaßen. Ich bin am Frankfurter...