Film: «Das hat nie stattgefunden!»
Ich besuche Kirill Serebrennikov Anfang August 2017 in Kronstadt. Im ehemaligen Kulturhaus der Baltischen Flotte dreht der Regisseur Sequenzen seines neuen Films.
Weniger ihm als seiner engsten Mitarbeiterin steht der Stress der vergangenen Monate ins Gesicht geschrieben, auch die Stinkefinger-Brosche an ihrem Kleid kann darüber nicht hinwegtäuschen: Als der Regisseur eine propagandistische Zusammenarbeit mit dem System ablehnte, hatte man zunächst versucht, sein Theater, das heute schon legendäre Gogol-Zentrum, finanziell auszutrocknen, was an der Treue des Publikums und am Engagement von Mäzenen scheiterte. Daraufhin legte man ihm – ebenso erfolglos – nahe, von der Theaterleitung zurückzutreten.
Im Mai war mit einer Serie von Hausdurchsuchungen die nächste Eskalationsstufe erreicht, im Rahmen sogenannter Ermittlungen, die die Geschäftsführung des von Serebrennikov vollumfänglich und höchst erfolgreich realisierten «Platforma»-Projektes zur Popularisierung zeitgenössischer Kunst ins Visier nahmen. Es war klar, dass man den Sack schlägt, um sich zum Esel vorzuarbeiten.
Wenige Tage, nachdem ich mich von Kirill verabschiedet habe, belastet ihn eine Buchhalterin, die entsprechend ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute November 2018
Rubrik: Magazin, Seite 67
von Sergio Morabito
Ödön von Horváths traurige White-Trash-Figuren haben Konjunktur. Seine Arbeitslosenballaden sind schließlich ideal, um über die emotionale Kälte unserer neoliberalen Gesellschaft und aktuelle Entsolidarisierungstendenzen, die soziale Ungleichheiten verschärfen, zu erzählen. Die #MeToo-Debatte könnte Horváth weiteren Auftrieb geben: Zur Ware degradiert wurden jene...
Er war der alte Meister der Grantigkeiten, des Weltekels, der Österreich-Beschimpfung: Thomas Bernhard. Thom Luz ist der menschenfreundliche Poet der musikalischen Melancholie, des Schwebens, Zirpens, Abhebens. Das deutsche Theater hat beide zusammengebracht, im von Thom Luz und Wolfgang Menardi hingehauchten Borbonen-Saal des Wiener Kunsthistorischen Museums,...
Da stehen sie nun, die beiden stolzen Königinnen, und belauern sich: Elisabeth von England zeigt ihrer Konkurrentin den Rücken, entsetzt über deren Jugend, deren Schönheit, deren Unbeugsamkeit auch nach Jahren im Kerker. Maria Stuart wendet all ihre Wort- und Tränenkraft auf gegen Elisabeths Zorn und Furcht, die ihr da von kalter Schulter entgegenströmen, streckt...