Liat Fassberg; Foto: J.J.Kucek
Etwas für Nachtbusfahrer
Zufälligkeit, wenn nicht Willkür, bestimmt das Geschehen: Es könnte jedem passieren, zu jeder Zeit. Jeder könnte überall sitzen.»
Passagiere in einem Nachtbus – ein Bus, der über Grenzen fährt. Im Niemandsland Europas unterwegs, Start der Reise unbekannt, das Ziel: irgendwo in Deutschland. Keine dramatis personae in diesem Drama, sondern Sitzplätze, Stimmen. Alle haben Fahrkarten, aber nicht alle haben das Recht zu reisen.
Etwas ist geschehen: Zwei der Reisenden wurden nach einer Polizeikontrolle mitgenommen, herausgezerrt aus der losen Gemeinschaft der Reisenden. Was von ihnen bleibt, sind leuchtende Schuhe – Zauberschuhe? –, die sie fortbringen sollten, die, die durchs Meer gekommen waren. Durch Gedanken, Gespräche, Tweets, Träume, Fragebögen, Downloads erfährt der Zuschauer, -hörer von dem Vorfall. Eine Sinfonie/Kakofonie.
Vater und Kind unterhalten sich darüber, was es bedeutet, «nach Deutschland zu gehören». Es wird leise gesungen, vereinzelt. Ein Liebespaar spricht über die Liebe, Liebe in Zeiten der Unsicherheit, der Bedrohung. Macht der Vorfall alle zu einer Community? Der Community der Davongekommenen? Sehnsuchtsbriefe werden geschrieben. Und Schimpftiraden ...
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Theater heute Jahrbuch 2017
Rubrik: Neue Stücke der neuen Spielzeit, Seite 162
von Eva-Maria Voigtländer
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I would like to think that today we are living the imaginaries of those, who have been long gone», sagte Angela Davis vor kurzem bei einem Auftritt in London. Damit bezog sie sich auf Antonio Gramscis Aussage vom Pessimismus des Intellekts und Optimismus des Willens und sprach weiter: «Yes, we have always to believe that ultimately we will be able to change the...
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