Ein Zeitalter wird beerdigt
Als ich den damals noch recht jungen Gert Voss zum ersten Mal ganz bewusst auf der Bühne wahrnahm, war er sehr alt. Ich hatte ihn schon vorher gesehen – so in Claus Peymanns und Achim Freyers Stuttgarter «Faust» von 1977; aber da war er mir nicht wirklich aufgefallen in der Menge der turbulenten Aktionen und Akteure. Am 7.
Mai 1982 aber, als «Der Kirschgarten» in der Bochumer Inszenierung von Manfred Karge und Matthias Langhoff beim Berliner Theatertreffen gastierte, da schien er in dieser doch eher kleinen Rolle nicht nur häufiger aufzutauchen, als das «Kirschgarten»-üblich ist – nein, er war selbst dann atmosphärisch präsent, wenn man ihn gar nicht sah. Er lauerte gleichsam als Hausgeist in den Wänden und Möbeln des Gutes der Ranjewskaja, weil er mit ihm aufgewachsen und verwachsen war wie sonst keiner.
Gert Voss, gerade vierzig, spielte Firs, den «Greis von 87» (so das Programmheft), indem er die Figur zugleich vorführte und verkörperte; er zeigte sie und seine darstellerischen Mittel im besten Brechtschen Sinne – auch gemäß dem Regie-Realismus von Karge/Langhoff, der deutlich auf die krass-krude Komödie im Tschechow-Stück setzte und weniger, als es damals üblich war, auf ...
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Theater heute Oktober 2014
Rubrik: Nachruf, Seite 28
von Michael Merschmeier
Die letzten Tage der Menschheit sind jetzt auch schon wieder hundert Jahre her. Aus gegebenem Anlass war das Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele 2014 monothematisch dem Ersten Weltkrieg gewidmet, und da führte an Karl Kraus’ großem Wiener Weltkriegstheater «Die letzten Tage der Menschheit» (1922) kein Weg vorbei.
Die im Landestheater als Koproduktion mit...
Bernd Noack Das Drama der Stunde ist «Die letzten Tage der Menschheit» von Karl Kraus. In Wien kann man gleich an zwei Häusern Neuinszenierungen sehen. Kraus selber sagte es praktisch voraus, dass man vergessen wird, was damals geschehen ist, und deshalb genauso weitermachen wird. Ist die Menschheit unfähig zu lernen?
Franz Schuh Die Tatsache, dass dieses Drama...
Man muss sich den Kollegen A als wirklich streberhaften Musterbürger vorstellen: geschätzte dreißig, Druckereiangesteller, Vater einer kleinen Tochter in eheähnlicher Lebensgemeinschaft, gediegen linksliberal. Und weil sich A (Sascha Göpel) selbstredend als solidarischer Zeitgenosse versteht, springt er kurzfristig für einen verhinderten Kumpel an der Kasse eines...