Ein verpfuschtes Leben
Jamie Carris hat von Anfang an keine besonders günstige Sozialprognose: Missbrauchsopfer, Selbstmordversuch, vernachlässigt, aggressiv. Simon Stephens zeigt ihn mit 18 – da hat er gerade den Liebhaber seiner Mutter niedergestochen und einen jungen Tankwart, weil er seine Rechnung nicht bezahlen konnte. Er sitzt mit Lynsey, 15, im geklauten Auto und träumt von Entkommen und einem kleinen Spießerglück. Die Art von Glück, die viele Country Songs beschwören. Wenn sie nicht gerade von Einsamkeit, Verbrechen, Schuld und Sühne singen. Vom Knast. Oder von treulosen Frauen.
Wie melancholisch und unsentimental das klingen kann, beweist die Umbaumusik von Bonny «Prince» Billy in Essen.
Zweite Szene, elf Jahre später. Jamie sitzt im Gefängnis. Sein Bruder Matty besucht ihn. Für den, so sieht Jamie das, sitzt er hier. Damit der Typ, der ihn selbst missbraucht hatte, sich nicht an Matty vergehen konnte, hat er ihn sich vorgeknöpft. Matty, das anschauliche Beispiel dafür, dass eine ungünstige Sozialprognose kein in Stein gemeißeltes Schicksal ist, sieht das anders. Und sagt das auch. Schlimmer: Matty muss die Nachricht überbringen, dass Lynsey mit Jamies Tochter Emma zu einem anderen Mann ...
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