Ein Theater entwickelt die Stadt
Der Anfang war holprig, das Ende glanzvoll. Die Eröffnungsinszenierung der Intendanz Stefan Bachmanns in Köln war: «Der nackte Wahnsinn», wirklich. Michael Frayns parodistische Vignette über den Theateralltag wurde 2013 auf der 27-Meter-Bühne in der leeren Fabrikhalle in Köln-Mülheim zum Breitwandformat aufgeblasen, als wollte man Orson Welles’ «Citizen Kane» in Farbe nachspielen. Jeder Auftritt ein Spurt über den Betonboden, jeder Umbau zwischen den Akten dauerte eine halbe Stunde. Das falsche Stück am falschen Ort zur falschen Zeit.
Das Ende im Juni 2024 war ein großes Fest mit vielfältigen Aufführungen, Aktivitäten, Ständen, flanierenden Menschenmengen über das ganze große Areal des Carlswerks und die angrenzende Keupstraße verstreut. Die Abschiedswochen mit dem Straßenfest Birlikte. Sogar der Bundespräsident erschien. Das Schauspiel Köln hatte seinen Ort nicht nur gefunden, sondern gestaltet.
Dazwischen? Ein wellenförmiges Auf und Ab mit steigender Tendenz.
Um das glückliche Ende zu verstehen, muss man die weit zurückliegenden unglücklichen Anfänge rekapitulieren. 2008 entscheidet die Stadt, das Opernhaus solle renoviert und das angrenzende Schauspielhaus abgerissen und neu ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute August/September 2024
Rubrik: Bilanz, Seite 46
von Gerhard Preußer
Mitten hinein also. Das ist die Richtung dieses Abends, der sich selbst wie ein Einschlag ankündigte. Mitten hinein nämlich in die siedende deutsche Debatte rund um Nahost und damit auch in unsere weiterhin die offene Aussprache scheuende Theaterszene. Jetzt aber durfte man Deutliches erwarten beim Gastspiel der neuen Inszenierung von Ofira Henig. Die israelische...
Das Patriarchat ist tot. Bleich und leblos liegt es (Sigmund Peter/Rainer Böhme) auf dem von schwarzen Stofffetzen übersäten Bühnenboden des Schauspiels Frankfurt. Es handelt sich um den Vater der vier Brüder Karamasow, Fjodor: ein unerträglicher Schwätzer, Schmarotzer und Schürzenjäger, der seine Frauen systematisch in die Verzweiflung getrieben hat. In...
Wir leben. Wir leben. Hauptsache, wir leben, und viel mehr ist es auch nicht als leben nach Verlassen der heiligen Heimat. Keiner schaut gnädig herab auf unseren Zug, aber auf uns herabschauen tun sie gern. Wir ohen, von keinem Gericht des Volkes verurteilt, von allen verurteilt dort und hier. Und hier sitzen wir jetzt herum, Heilige, außer Dienst gestellt. Worauf...