Diese Christenwelt
Was ist das für ein Venedig hier in Bremen? Antisemitische Karikaturen prangen kreideweiß auf der aschfahlen Bühnenrückwand. Der Raum (von Heinz Hauser) ist leer bis auf ein paar gelbe Papierbahnen, die später in Pogromhatzen zerfetzt werden. Auf Stühlen zu beiden Seiten sitzt die Finanzwelt der Lagunenstadt: die Juden in bedrückendem Schwarz; die Venezianer bunter, mit gegelten Haaren; ein bisschen neureich sehen sie aus, ein bisschen prollig. Ihre formlos großen Sakkos und ihr aufgesetzter Machismo erinnern an Osteuropa in den Nachwendejahren.
Ist das ein Venedig an der Peripherie oder ein Venedig der Vorstädte, wo sich Sündenbockfantasien noch antisemitisch austoben können? Zum Auftakt wird der Jude Tubal zusammengeschlagen – am helllichten Tag, auf helllichter Bühne. «Es ist nichts; es ist okay.» Man spuckt vor den Juden aus und spannt sie anderntags für Geldgeschäfte ein.
Inmitten dieses Treibens befindet sich der Kaufmann Antonio, dem vermutlich ein Gebrauchtwagenhandel zu einigem Vermögen verholfen hat. Ein tragischer Außenseiter, wie ihn Regisseur David Mouchtar-Samorai im Programmheft verspricht, ist er nicht. Von seiner Männerliebe zu Bassanio, dem er mit Kredit und ...
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Die Sprachschablonen sind schnell auf einen Nenner gebracht: «Ich habe mir in der Sache nichts vorzuwerfen, um aber Schaden von Amt oder Partei abzuwenden, sehe ich mich dazu gezwungen ...» Ob es um Schwarzgeldmillionen oder Bonusmeilen geht, um Einkaufswagenchips oder echt große Beträge – Rücktritte gehören wie Wahlkämpfe zu den durchinszenierten Manövern in der...
In Weißrussland gibt es seit kurzem ein Gesetz, dass jede «Diskreditierung des Staates» im In- und Ausland verbietet. Es drohen Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren. Aber was ist wahr und was falsch in den Augen eines Regimes, das sich nach außen hin abschottet, offensichtlich Wahlen manipuliert und mittels erzwungener Sonderabgaben soeben den...