Diese Christenwelt

Shakespeare «Der Kaufmann von Venedig»

Theater heute - Logo

Was ist das für ein Venedig hier in Bremen? Antisemitische Karikaturen prangen kreideweiß auf der asch­fahlen Bühnenrückwand. Der Raum (von Heinz Hauser) ist leer bis auf ein paar gelbe Papierbahnen, die später in Pogromhatzen zerfetzt werden. Auf Stühlen zu beiden Seiten sitzt die Finanzwelt der Lagunenstadt: die Juden in bedrückendem Schwarz; die Venezianer bunter, mit gegelten Haaren; ein bisschen neureich sehen sie aus, ein bisschen prollig. Ihre formlos großen Sakkos und ihr aufgesetzter Machismo erinnern an Osteuropa in den Nachwendejahren.

Ist das ein Venedig an der Peripherie oder ein Venedig der Vorstädte, wo sich Sündenbockfantasien noch antisemitisch austoben können? Zum Auftakt wird der Jude Tubal zusammengeschlagen – am helllichten Tag, auf helllichter Bühne. «Es ist nichts; es ist okay.» Man spuckt vor den Juden aus und spannt sie anderntags für Geldgeschäfte ein.
Inmitten dieses Treibens befindet sich der Kaufmann Antonio, dem vermutlich ein Gebrauchtwagenhandel zu einigem Vermögen verholfen hat. Ein tragischer Außenseiter, wie ihn Regisseur David Mouchtar-Samorai im Programmheft verspricht, ist er nicht. Von seiner Männerliebe zu Bassanio, dem er mit Kredit und ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2006
Rubrik: Chronik, Seite 53
von Christian Rakow

Vergriffen
Weitere Beiträge
Zuschauen, wie die Zeit vergeht

Vor sechs Jahren, als der Raum von Johannes Schütz zu Goschs Inszenierung des «Käthchen von Heilbronn» am Düsseldorfer Schauspielhaus zu sehen war, waren die Kommentare einiger älterer Zuschauer zu Beginn der Premiere nicht zu überhören: Bei Gründgens hätte es eine so leere Bühne nicht gegeben. Was Gründgens zur Bühne von Schütz gesagt hätte, lässt sich nicht mehr...

«Seid ihr gewillt, die Krone abzutreten?»

Die Sprachschablonen sind schnell auf einen Nenner gebracht: «Ich habe mir in der Sache nichts vorzuwerfen, um aber Schaden von Amt oder Partei abzuwenden, sehe ich mich dazu gezwungen ...» Ob es um Schwarzgeldmillionen oder Bonusmeilen geht, um Einkaufswagenchips oder echt große Beträge – Rücktritte gehören wie Wahlkämpfe zu den durchinszenierten Manövern in der...

Die Identität der Vielfalt

In Weißrussland gibt es seit kurzem ein Gesetz, dass jede «Diskreditierung des Staates» im In- und Ausland verbietet. Es drohen Gefängnisstra­fen bis zu drei Jahren. Aber was ist wahr und was falsch in den Augen eines Regimes, das sich nach außen hin abschottet, offensichtlich Wahlen manipuliert und mittels erzwungener Sonderabgaben soeben den...