Die individuelle Systemfrage
Vieles fühlt sich für mich nicht wie «Verzicht» an, sondern eher wie eine Serie von Entscheidungen für ein stressfreieres und gesünderes Leben. «Verzicht» ist ein Wort, das vielen Menschen Angst macht. Die Diskussion um ein klimagerechteres Leben wird meist so geführt, als wäre unser Wohlstand und unser sorgenfreies Leben in Gefahr. Dabei verzichten wir schon heute auf sehr viel: auf gesunde Luft zum Beispiel. Auf eine intakte Natur. Auf sichere Straßen ohne Freiheitsraser und stundenlange Staus.
Auf Sommer ohne Dürre, ausgetrocknete Flüsse, Ernteausfälle, Waldbrände und sturzflutartige Überschwemmungen. Auf eine empathische, liebevolle Beziehung mit den nichtmenschlichen Bewohnern dieses Planeten. Auf gesunde Nahrung und somit auf unsere eigene Gesundheit. Auf unzählige Tierarten, die gerade massenhaft aussterben. Wir verzichten unentwegt auf ein gesünderes, nachhaltigeres Leben, das möglich wäre, wenn die politischen Entscheidungsträger:innen die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen würden. Ich würde sehr gerne auf vieles verzichten, wenn es dazu beiträgt, ein annehmbares Leben für zukünftige Generationen auf dem Planeten zu sichern. Aber es ist gar nicht so einfach, ein ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Jahrbuch 2023
Rubrik: Verzicht, Seite 67
von Falk Richter
Ein Lieblingssatz meiner Großmutter (Jahrgang 1923) war: «Besitz belastet.» Ein Gefühl, das jeder kennt, der in übervolle Kleiderschränke schaut oder sein Auto reparieren lassen muss. Freilich hatte meine Großmutter keine konsumkritische Haltung im Sinne, noch dachte sie an den gigantischen Ressourcenverbrauch im Dienste unserer heutigen Produktpaletten, die uns...
Gleich zu Beginn des Jahrtausends hat BP folgende rhetorische Frage mit 250 Millionen Werbeetat ins Rennen geschickt: Sollten wir nicht alle individuell was ändern müssen? Wir, die Konsum-Mäuse, anstelle der großen Player. Ab 2001 jedenfalls konnte maus auf der BP-Website nachrechnen, was für einen Fußabdruck sie täglich hinterließ. So ein Käse! Die großen...
Amir Gudarzi kritisiert das verbreitete Bedürfnis, seine Werke mit der Herkunft ihres Autors erklären zu wollen und die Nationalitäten, die ihm daraufhin zugeschrieben werden: «der iranische Dramatiker», «der iranisch-österreichische Autor», «der talentierte Exildramatiker», «der Exil-Iraner», «der österreichische Autor». Tatsächlich gibt es kaum etwas, das weniger...
