Die grundgereizte Stimmung

Andrea Vilter mag eigentlich keinen Ärger, aber er ist manchmal doch besser als Gleichgültigkeit

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Wann haben Sie sich zuletzt so richtig geärgert, und warum? Die Frage trifft. Ich fühle mich ertappt und gehe im Geiste die Situationen durch, in denen ich zur Beute dieses ungeliebten und unattraktiven Gefühls geworden bin, frage mich, ob ich mich zu oft geärgert habe in letzter Zeit, vielleicht auch zu sehr und womöglich aus zu geringem Anlass? Ich frage mich auch, welche Situationen zur Veröffent -lichung taugen. Alles Berufliche scheint mir zu vertraulich, das Private zu intim und glücklicherweise auch am wenigsten ergiebig.

Das Öffentliche sprengt den Rahmen und übersteigt wahrscheinlich auch meine Möglichkeiten. (Sonst ginge ich hier vielleicht der Frage nach, inwiefern die omnipräsenten Wahlvorhersagen in den Vorberichterstattungen zur unerwünschten selffulfilling Prophecy werden können. Die Sorge einer unbeabsichtigten, aber fatalen Manipulation hat mich schon manches Mal geärgert und gewinnt angesichts der aktuellen politischen Lage an unliebsamer Brisanz.)

Drücke ich mich vor der Aufgabe und will ich mir meinen Ärger nicht eingestehen? Warum ist der kleine Bruder der Wut überhaupt so ein diskreditiertes Gefühl? An sich stehen Emotionen ja hoch im Kurs. Was gefühlt wird, ...

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Theater heute Jahrbuch 2024
Rubrik: Ärgernisse, Seite 101
von Andrea Vilter

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