Der Moment der Abrüstung

Es ist vollbracht: Nach «Mea Culpa» haben sogar die Wiener Christoph Schlingensief lieb

Theater heute - Logo

Wenn Christoph Schlingensief in Wien auftrat, ob mit einer Aktion wie «Ausländer raus!» vor der Oper oder mit Projekten wie «Bambiland» oder «Area 7» im Burgtheater, erwachte die Stadt für kurze Zeit aus ihrem restaurativen Schlummer.

«Provokation!», rief es und «Was will der denn schon wieder!». Journalisten und Leserbriefschrei­ber suchten in den Projekten nach dem Skandalon, schließlich ist der Skandal ein überlebenswichtiger Bestandteil des Wiener Alltags. Und natürlich wurden sie fündig.

Ob beim Auftritt eines bekannten Grazer Pornodarstellers, den vor «Bambiland», selbstverständlich und Ehrenwort, noch nie jemand gesehen hatte. Oder im leergeräumten Burgtheater-Parkett beim Überfall der Animatographen in «Area 7». Mit der Skandalisierung hatte man einen Weg gefunden, sich Schlingensief vom Hals zu halten und die Skandale, auf die er hinwies, sozusagen niederzurummeln. Man hatte sich für seine Arbeit ein paar abweisende Vokabeln zurechtgelegt: wirr, chaotisch, pubertär, dilettantisch. Er wurde zum Enfant terrible stilisiert, man hielt ihn auf gut Deutsch also für einen schrecklichen Kindskopf.
   

Nostra Culpa

Und jetzt? Auf einmal ist alles anders. Bei Christoph Schlingensiefs ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2009
Rubrik: Aufführungen, Seite 34
von Helmut Schödel

Vergriffen
Weitere Beiträge
Frau Staatsanwältin Prospero

Ein Netz aus Wogen türmt und senkt sich: Schwere See im Theater Freiburg. Am schwarzen Himmel schwebt Ariel ein. Der Luftgeist zetert, zerrt vier Schiffbrüchige aus den Wellen, befördert das Quartett mit einem Tritt an Land. Auf Prosperos von unten illuminierter Zauberinsel stranden: König Alonso von Neapel (Ullo von Peinen), sein Bruder Sebastian (Albert Friedl),...

Im Neurosenparadies

Die Welt ihrer Eltern wollen die Kinder naturgemäß nicht. So geht es auch der fast volljährigen Judith und ihrem Bruder, dem Langzeitstudenten David. Ihre Eltern, eine Lehrerin und ein Redakteur, sind liberal, gebildet und verständnisvoll. Wenn es mal hart auf hart kommt, macht man halt ein Coaching oder geht in Therapie. Kein Wunder, dass sich beide Kinder bei so...

Fast ein Spuk

Ein gründerzeitliches Tableau vivant. Das ist Robert Walsers Erfinderfamilie Tobler in Luzern: apart verteilt im mehrstöckigen Entrée der Villa «Abendrot», einem prächtigen Treppenhaus von Werner Hutterli, reglos erstarrt. Was sich bewegt, ist in dieser ersten Szene einzig der Gehülfe: Wirsich, der gehen muss und seinen Koffer packt. Hose, Hemd – nur nicht die...