Der menschliche Anschlussfehler
Die russische Seele ist ein schwarzes Loch. Und zwar eines ohne Boden. Ob Wodka, Rubel oder Moral – alles versickert auf Nimmerwiedersehen. In Stuttgart sind es genau genommen gleich zwei schwarze Löcher, gebildet von den Augenhöhlen eines riesigen Schädels, der in der Bühnenmitte thront. Dieser Schädel, militärisch behelmt und mit Schutzbrille, ist Spielort und Symbol. In und um ihn kreist alles, wenn er nicht gerade per Drehbühne um die eigene Achse rotiert.
Dabei ist dieser Totenkopf weniger ein Memento mori als Zeichen des schwarzhumorigen Wirtschaftsdeterminismus von Nikolai Gogols Roman «Tote Seelen» von 1842.
Formell ist der Kapitalismus eigentlich noch gar nicht so recht auf der Welt in Gogols Russland, praktisch aber schon in vollem Gange. Pawel Iwanowitsch Tschitschikow will eigentlich nur mitspielen im Reigen der Reichen. Aus kleinen Verhältnissen hat er sich hochgearbeitet und will nun endlich das große Geschäft machen. Und zwar mit einem besonderen Business-Modell: Er setzt auf die Toten. Von Gutsbesitzern versucht er Leibeigene, auch «Seelen» genannt, zu kaufen, die das Zeitliche gesegnet haben. Mit ihren Leichen hat Tschitschikow allerdings nichts am Hut, er will ...
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Theater heute August/September 2016
Rubrik: Aufführungen/Neue Stücke, Seite 12
von Kristin Becker
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