Der Gedärmeforscher
Der Gedärmeforscher Eines Sommerabends vor sechs Jahren warteten eine Freundin und ich in einer Sparkassen-Filiale am Rosenthaler Platz auf einen freien Geldautomaten. Ein Typ mit wirren grauen Haarsträhnen und sackartig ausgebeultem, speckigem Anorak hatte schon ziemlich lange auf eins der Geräte eingeredet und hilflos an ihm herumlaboriert, als er schließlich kapitulierte und auf uns zu in Richtung Ausgang schlurfte.
«Herr Gotscheff», rief ich, überrascht, dass ich ihn von hinten für einen Obdachlosen gehalten hatte, «Guten Abend!»
Wir hatten uns wenige Wochen zuvor bei einem Recherchegespräch für ein «Theater heute»-Porträt kennengelernt. Er lächelte halb scheu, halb schelmisch und auf jeden Fall gut angetrunken unter seiner silbernen Strähnentolle hervor. Ein paar Minuten später saßen wir vor dem damaligen Imbiss «International», und Gotscheff philosophierte bei einem Piccolofläschchen Weißwein freimütig über Drogen, Castorf, den «Unsinn», Kritiker zu den chronisch uneingespielten Premieren einzuladen – und über die Prostituierte, der er gerade sein letztes Bargeld gegeben habe. Ob Wahrheit oder Pose: Er genoss sichtlich unsere halb (spieß-)bürgerliche, halb feministische ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Dezember 2013
Rubrik: Abschied, Seite 34
von Eva Behrendt
Das Rauschen des Meeres. Rhythmisch schwanken die verlorenen Menschen hin und her, während die Musiker den Takt vorgeben. Eine Frau in Weiß (Claudia Iglesias Ungo) taucht auf der Kante des verrotteten Schwimmbadbunkers auf, zieht geisterhaft ihre Kreise, während zwei Immigranten (Robin Sondermann und Alexander Swoboda) ihr zusehen, aber aus Angst vor Entdeckung der...
Es gibt da nichts zu beschönigen. Schon das erste Drittel des letzten Säkulums hätte gereicht, um dem Titel «Jahrhundert der Katastrophen» traurige Ehre zu machen. Der französische Arzt und Skandalautor Louis-Ferdinand Céline war der erste, der das in seinem 1932 erschienenen Debutroman «Reise ans Ende der Nacht» schonungslos verkündete, mit einer Sprache, die wie...
Allem Anfang muss ein Zauber erst injiziert werden, und Stefan Bachmann und sein Team arbeiten hart daran, Köln zu verzaubern. Die Neugier auf den Nachfolger Karin Beiers ist groß. Bachmann tritt ein gutes Erbe an. Wenn ein Theater so ins Zentrum der Aufmerksamkeit einer Stadt gerückt worden ist, kann man auch riskieren, es räumlich an die Peripherie zu...