Das Verbluten der Revolution

Tina Lanik lässt im Residenztheater «Marat/Sade» von Peter Weiss als blutige Moritat aufleben, und Robert Borgmann dramatisiert Kleists Novelle «Die Verlobung in St. Domingo» im Marstall

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Ein feister Hedonist und ein räudiger Asket – nur selten gewinnen gesellschaftspolitische Positionen eine solch fleischliche Plastizität wie in diesem Stück, das in einer Irrenanstalt spielt und von der Französischen Revolution bereits in der Vergangenheitsform spricht, obwohl ihre Helden darin noch selbst um das eigene Erbe streiten.

Als Peter Weiss Anfang der 1960er Jahre an seinem Drama um die beiden Denk-Figuren – Marquis de Sade als defätistischer Individualist und Jean Paul Marat als kämpferischer Pionier des Sozialismus – feilte, wurden die künftigen ’68er gerade erwachsen, und womöglich lag damals bereits so etwas wie die Vorahnung einer revo­lutionären Situation in der Luft. Fragen nach deren Aporien wie «Frisst die Revolution ihre Ziele?» oder «Kann ein gewaltsamer Umsturz Erfolge haben, die seine Opfer übersteigen?» erschienen da nicht weithergeholt. Und die entscheidenden Fragen seit den Tagen der Terreur blieben auch hier offen wie das Messer der Guillotine im Raum stehen: Kann die einmal entfesselte Gewalt je anders als willkürlich oder durch pure Erschöpfung wieder gestoppt werden, und hat die staatliche Kontrolle bis dahin nicht jede individuelle Regung in stumpfer ...

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Theater heute November 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 19
von Silvia Stammen

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