Foto: Iko Freese
Carl Hegemann: Das Recht auf Flucht
Eben mal zwischen Volksbühnenabwicklung, Dernierenmarathon, dem großen Abschiedsfest auf der Rosa-Luxemburg-Straße und der letzten Gastspielreise nach Avignon den idealen Staat entwerfen? Für «Theater heute»? Auf nicht mehr als zwei bis drei Manuskriptblatt? Kein Problem: Dem Dramaturg in seiner berufsbedingten Vermessenheit ist nichts zu schwer, und diese Aufgabe gehört bei der Vielfalt seiner Tätigkeiten vielleicht noch zu den leichteren.
Den idealen Staat gibt es nämlich schon. Man findet ihn im Bienenstock oder im Ameisenhaufen.
Da läuft’s doch. Alles ist perfekt geregelt und greift ineinander wie in einer gut geölten Maschine. Und alle menschlichen Entwürfe eines idealen Staats laufen auf eine solche maschinelle Konstruktion heraus. Friedrich Hölderlin, der nebenbei auch ein tiefschürfender Staatstheoretiker war, behauptete allerdings, dass man von einer Maschine keine Idee haben kann und vom Staat also genauso wenig. «Denn nur, was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee», schreibt er mit Hegel im «ältesten Systemprogramm». Und Maschinen, die sich ja grundsätzlich durch Berechenbarkeit definieren und zuverlässige Erwartbarkeiten produzieren, schließen genau deshalb jede ...
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Theater heute Jahrbuch 2017
Rubrik: Der ideale Staat, Seite 52
von Carl Hegemann
Erinnern Sie sich noch an die Bundesrepublik? In Bonn lebt man ja quasi in der alten Kulisse dieses untergegangenen Landes, spaziert täglich vorbei an den Baudenkmälern vergangener politischer Macht: Bundeskanzleramt, Villa Hammerschmidt, Langer Eugen. Wie war das eigentlich damals, in der Bonner Republik?
Der Autor Thomas Melle, Jahrgang 1975, ist in Bonn...
Ich hatte mich den ganzen Abend einem Stapel von damals noch unübersetzten britischen Stücken gewidmet und mich im Zuge dessen schon durch zwei oder drei nicht wirklich gute, aber auch nicht wirklich schlechte Werke durchgekämpft. Kurz nach Mitternacht beschloss ich das letzte Stück, «Konsens» von Nina Raine, trotz der fortgeschrittenen Stunde noch in Angriff zu...
Es reden: ein Kabinettsleiter, eine Forscherin, ein Soldat, alle noch relativ jung. Die Menschen, mit denen die drei Figuren aus Alexandra Badeas neuem Stück «Extremophil» in Dialog treten, sind sie selber: Sie sagen Du zu sich. Vielleicht, weil von sich zu sprechen voraussetzen würde, dass sie eins wären mit sich (was sie definitiv nicht sind). Vielleicht, weil...
