Bürgerin Jelinek
Wir befinden uns in Argos und sehen, wie die 50 Töchter von Danaos ankommen, um Schutz flehen, Asyl erbitten. Das Schauspiel Leipzig eröffnet die Spielzeit mit der Parallelinszenierung von «Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen» von Aischylos und Elfriede Jelinek in der Regie von Intendant Enrico Lübbe. Tags darauf sind wir die Ankommenden, empfangen von kläffenden nackten Menschen, die uns anspringen wollen. Genau genommen gehört die Performance «Die neue europäische Tragödie» von God’s Entertainment mit zur Spielzeiteröffnung. Zwei Inszenierungen zu einem Thema: Flüchtlinge.
Diese Spielzeit geriert sich als Statement. «Wieso dürfen die und wir nicht» ist ihr Motto, den Schutzbefohlenen entlehnt. Die Fassade des Schauspiels trägt das Goethe-Zitat «Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter». Es hängt an der Fassade zum Dittrichring, Teil der wöchentlichen Legida-Wunschmarschrute, und an der zur Gottschedstraße mit Bars neben Cafés. Intendant und Ensemble suchen damit im Theater die aktuelle Auseinandersetzung Theater, wie es sein soll. Aber nur, wenn tatsächlich Auseinandersetzung stattfindet.
In den «Schutzflehenden» erzählt Aischylos von Danaos und seinen ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Fee Isabelle Lingnau
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