Begegnungsstätte mit Bibliothek

Die Ruhrtriennale 2022 setzt auf Immersion und Wohlfühltheater und will das elitäre Image abschütteln

Theater heute - Logo

Und dann spucken die Nebelmaschinen noch mehr Dampf aus. Rotes Licht legt sich darunter, eine embryoartige Vorhölle, in der ich mich den Bässen hingebe. Nur schemenhaft sind die Darsteller in ihren historischen Amish-People-Kostümen noch zu erkennen, von statuarischer Schönheit und manchmal ekstatischer Gemeinschaft. Zwei halten eine, die sich nach hinten zuckend bis zum Boden raved. Ich gehöre nicht dazu und wiederum doch in einem allumfassenden, menschlichen Sinn, der alles vereint, was irgendwie Haut und Knochen hat.

 

Es ist auf jeden Fall eine entgrenzende Erfahrung, am dritten Teil von «Respublika» des Litauischen Nationaltheaters teilzunehmen. So weit haben es einst SIGNA nicht getrieben. Oder doch? Der Regisseur, Videokünstler und Raver Łukasz Twarkowski hat sein Re-Enactment und Utopie-Experiment auch zur Ruhrtriennale 2022 gebracht. Am Anfang ist es ziemlich schwer, sich zurechtzufinden, trotz Din-A4-Gebrauchsanweisung; ziemlich planlos streift man durch die aufgebauten Häuschen in der Bochumer Jahrhunderthalle: hier eine für alle geöffnete Sauna (ich traue mich nicht hinein) samt Eiswürfelbassin, da eine Küche, dort ein Schlafzimmer, wo zwei Performerinnen kuscheln. Aber ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute 11 2022
Rubrik: Festivals, Seite 32
von Dorothea Marcus

Weitere Beiträge
Vorteile des Vatermords

Vielleicht wirken sie zu stark, in ihrem trotzigen Durchhaltevermögen. Vielleicht sind sie zu leise geworden, weil sie so oft niemand verstanden hat. Vielleicht sind sie, die Kinder und Jugendlichen, aber auch Opfer uralter und mieser Erwachsenen-Reflexe: dem Reflex, junge Menschen nicht für voll zu nehmen; jugendliche Wut auf die Hormone zu schieben, statt auf die...

Offen und unbestimmt

Olga Grjasnowas Roman «Der Russe ist einer, der Birken liebt» war vor einigen Jahren ein Bezugspunkt fürs Theater: Yael Ronen inszenierte den Stoff 2013 zur Eröffnung von Shermin Langhoffs Intendanz am Berliner Gorki Theater und setzte so eine erste Duftmarke, wo dieses Theater identitätspolitisch hinwollte. Langhoff schwebte ein Theater für die multikulturellen...

Jenseits der Komfortzone

Er ermordet seinen Vater, verheiratet sich mit seiner Mutter, bringt als König die Seuche übers Land. An der Schuldfrage kommt Ödipus selbst so wenig vorbei wie alle, die sich mit seinem Drama beschäftigen, namentlich in der Ausformulierung durch Sophokles. Nicolas Stemann beantwortet sie ungefähr in der Mitte seiner Zürcher Inszenierung mit aller denkbaren...