Aus der Zeit gefallen
Bunker, unfertiger Rohbau, Grenzstation, Kriegsschiff: Ein genial assoziationsreiches, multifunktionales Bühnenbild hat Katja Haß ins Stuttgarter Schauspielhaus bauen lassen. Es fährt zu Beginn beängstigend direkt aufs Publikum zu. Look aus rohem Beton, abweisend, aber praktisch zu bespielen: oben eine Aussichtsplattform, innen eine steile Treppe, die ins Obergeschoss führt, wo auch der Live-Musiker Max Braun unter -gebracht ist, der das Geschehen mit düsterem E-Sound-Raunen unterlegt.
Das unheimliche Beton-Ungetüm dreht sich gelegentlich minutiös, zeigt mal seine geöffnete Seite, mal seine hermetisch abgeriegelte.
Es geht in «Der große Wind der Zeit» in einem zweieinhalbstündigen Parforceritt durch 100 Jahre israelisch-palästinensische Geschichte – in Gestalt eines jüdischen Familienepos über vier Generationen. Die Handlung spielt in Tel Aviv, in einem Kibbuz in der Wüste, in Berlin, Wien und London.
Der heute 84-jährige israelische Theaterautor Joshua Sobol hat für diese Stuttgarter Uraufführung seinen 2017 erschienenen 500-seitigen Roman dramatisiert. Es ist kein Wunder, dass sein neues Stück nicht in Israel uraufgeführt wurde. Denn es blickt zurück auf eine Zeit, als noch ...
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Theater heute April 2024
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Verena Großkreutz
Es war sehr schwierig, Ihre Figuren zu begreifen. Wer waren sie?» Das war die erste Frage beim Publikumsgespräch nach der Lesung von «Rocco Darsow» am Goethe-Institut Tokio im Juli 2016. Ich antwortete: «Es gibt keine Figuren, wir sind einfach wir selbst, die vier Schauspieler:innen.» Ein Zuschauer: «Aber welche Gefühle wollten Sie bei uns hervorrufen?» Ich:...
Und ich fahre im Zug durch die Alpen. Nebel kriecht durch die Wälder am Hang, der Himmel ist diesig, ich sitze im Ruheabteil. «Perfekt, schönes Tagle», wünscht mir der Schaffner und steckt sein Kontrollgerät wie einen harmlosen Colt an den Gurt. Merci vilmal, denk ich, genieße die Aussicht, dann klapp ich den Laptop auf. Ich reserviere stets extra im Ruheabteil, um...
Brechts Notizbuch wird in der nun erschienenen Suhrkamp-Edition auf eine Weise aufbereitet, die keine Wünsche gegenwärtiger Editionsphilologie und -praxis offen lässt: Die einzelnen Seiten der kleinen schwarzen Notizbüchlein, in denen erotische Gedichte, Zoten und erste Überlegungen zum «Fatzer» neben aussagekräftigen To-do-Listen, Adressen und kryptischen Zahlen...