Apokalypse kann so lustvoll sein
Gerade ist Dimiter Gotscheff noch einmal aufgestanden, um sich den vierten Whiskey zu holen. Wahrscheinlich ist heute wirklich nicht sein Tag. Schon nach dem zweiten Schnaps hat der lichtscheue Bulgare gestöhnt: «Es ist Montag, ich bin unvorbereitet, von mir kriegen Sie nicht mehr! Nehmen Sie es wörtlich. Ich kann über meine Arbeit nicht reden, ich kann nur brüllen oder schreien oder lachen … Laute geben.
» Zur Verstärkung hat sich deshalb im hintersten Winkel der Kantine des Deutschen Theaters nach und nach ein Teil jener «Familie» eingefunden, mit der er gerade Heiner Müllers «Hamletmaschine» probt: der Künstler, Bühnenbildner und Müller-Intimus Mark Lammert, die zarte Russin Valery Tscheplanowa, die die Ophelia spielt und auf ihrem Stühlchen am Rande stumm darauf wartet, dass die Proben weitergehen, sowie Gotscheffs Landsmann, der Schauspieler Samuel Finzi, der eben vorbeigekommen ist und gucken will, wie Gotscheff sich als sein eigener Protagonist macht. In seiner nächsten Inszenierung wird der Regisseur nämlich selbst als «Hamletdarsteller» auf der Bühne stehen, wie vor knapp drei Jahren schon einmal in Müllers «Philoktet» an der Volksbühne, zusammen mit Finzi und Josef ...
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Theater heute Jahrbuch 2007
Rubrik: Die Inszenierung des Jahres, Seite 108
von Eva Behrendt
Der Dramaturg, der liest die Stücke durch. Mag er sie lieber nicht, war Lesen seine Pflicht. Es fliegt das Manuskript, bis die Schreibtischlampe kippt. Doch wenn sie ihm gefallen, gibt er sie nachher allen. – So werden aus Lieblingsstücken bedeutende Uraufführungen: eine Auswahl der größten Chancen der nächsten Saison
Magst du für das Jahrbuch darüber schreiben, warum das Thalia Theater so toll ist?» Ein Super-Auftrag, den mir Franz Wille so en passant am Telefon mit auf den Weg gibt. Und ich bin auch noch so blöd, zuzusagen! Aber er wird Recht haben, mir wird ungeheuer vieles einfallen, schließlich bin ich wirklich gerne an diesem Theater. Was also könnte ich schreiben, ohne...
Man kann in Berlin in diesem Sommer kaum mehr zum Zahnarzt gehen, ohne von einem verzückten Dentisten auf Peter Steins «Wallenstein» angesprochen zu werden. Vielleicht liegt es nur an den berufsständischen Parallelen: Wo der eine zehn Stunden schenkelstarre Zuschaudemut verlangt, lebt der andere von jeher davon, Menschen in einen Sessel zu bitten, in dem sie...