Am Kipp-Punkt

Stefan Pucher eskaliert «König Lear» in der Bearbeitung von Thomas Melle an den Münchner Kammerspielen zu einem schön-schrägen Abgesang auf toxische Männlichkeit

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«The End» prangt von Beginn an als Leuchtreklame auf dem Königs-Bungalow, und der Horizont dahinter wölkt sich in Nina Pellers Bühnenbild leuchtend wie im Abspann eines 50er-Jahre-Westerns in Technicolor. Doch das Ende ist das eine, was danach kommt, das andere. Weg mit den weißen alten Männern, das ist inzwischen fast überall der Konsens der Stunde; und dementsprechend hat Shakespeares «König Lear» Konjunktur, nicht wie früher mal als Paraderolle für alternde Großmimen, sondern als Aufbruchsfantasie in eine glanzvolle väterlose Zukunft.

Das Dilemma ist nur, dass mit der Abdankung des Alphatiers noch nicht wirklich was gewonnen ist. Denn schließlich haben dessen Nachkommen nicht nur die traumatische Gewaltgeschichte von Kindesbeinen an inhaliert, sondern auch den Glitzerstaub aus Papas Portemonnaie, was einem radikalen Systemwechsel erschwerend entgegensteht. 

«Wir können Origami»

Jenseits von Alters-Pathos und Endzeit-Fatalismus erzählen Autor Thomas Melle, Regisseur Stefan Pucher und Lear-Darsteller Thomas Schmauser – allesamt weiße Männer in den besten Jahren – in ihrer sprachgewitzten Adaption an den Münchner Kammerspielen eine ganz andere Geschichte, als man sie bei diesem ...

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Theater heute November 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Silvia Stammen

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