Ach, armer Orpheus

Erst musste er zehn Jahre lang auf das Burgtheater warten, dann musste er nach fünf Jahren schon wieder gehen: Martin Kušej und die Stadt Wien werden keine Freunde mehr. Analyse einer schwierigen On-Off-Beziehung

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In den letzten Wochen der Direktion Martin Kušej veranstaltete das Burgtheater eine kleine Serie von Zoom-Gesprächen, in denen Schauspieler:innen, Regisseur:innen, Dramaturg:innen und der Intendant selbst ausgewählte Inszenierungen aus den vergangenen fünf Spielzeiten besprachen.

In diesen soft moderierten Talks («Wie findest du deine Stoffe?»), die auf dem YouTube-Kanal des Burgtheaters nachzusehen sind, stand allerdings ein großer Elefant im virtuellen Raum: die Frage, warum Kušej nach fünf Jahren schon wieder gehen musste? Weil es, nicht nur in Wien, Usus ist, den Vertrag eines Intendanten nach Ablauf der ersten Funktionsperiode – das sind im Burgtheater fünf Jahre – zu verlängern, kommt so eine Nichtverlängerung fast schon einem Rauswurf gleich. Sein Vorvorgänger, Matthias Hartmann, war nach dem Finanzskandal an der Burg tatsächlich gefeuert worden (übrigens kurz nachdem sein Vertrag verlängert worden war). Aber was hat Kušej sich zuschulden kommen lassen? «Smoking Gun» gibt es keine, wer eine Erklärung finden möchte, landet unweigerlich bei der Paartherapie: Kušej und Wien, das war immer schon eine komplizierte Beziehung.

Als der Kärntner, der in Graz studiert und in ...

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Theater heute Juli 2024
Rubrik: Bilanz, Seite 28
von Wolfgang Kralicek

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