Occupy Opera
In den sehr lesenswerten Studien zu Praktiken der Evidenzproduktion im 17. Jahrhundert (Jan Lazardzig et al., 2006) wird der im sächsischen Kurfürstentum geborene und aufgewachsene Gottfried Wilhelm Leibniz mit seiner «Spektakel Akademie» zitiert, in der er Mathematiker, Musiker, Bildhauer, Ingenieure, Scharlatane oder Dichter für öffentliche Experimente, Komödien, anatomische Demonstrationen oder Kunst- und Raritätenkabinette versammeln wollte.
Vor dem Hintergrund aktueller Deutungsverluste von Wissenschaft und Forschung gegenüber populistischen Influenzern und der gleichzeitig bescheidenen Relevanz von Kunst und Philosophie könnte eine solche Allianz gerade im digitalen Zeitalter und inmitten kaum noch fassbarer Transformationsprozesse vielleicht wieder interessant sein.
Es ist nicht so, dass es heute keine Räume gäbe, die bestens für solche Spektakelpläne von Kunst, Wissenschaft und Technologie – und vor allem entsprechend neue Zusammensetzungen des Publikums – ausgestattet wären. In Europa sind hier vielleicht etablierte Institutionen wie IRCAM/Centre Pompidou, Manchester International Festival, ZKM und Ars Electronica oder auch Plattformen wie das EU-Programm S+T+ARTS zu ...
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Theater heute Juli 2024
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Moritz Lobeck
Woyzeck steht da, alleine, verzweifelt, psychotisch. Die Mauern, die eben noch einen Raum ergaben, fahren um ihn zusammen und umschließen ihn. In den Wänden gibt es viele Türen, viele Wege, doch nun sind alle geschlossen. Woyzeck verschwindet im Kerker. Zuvor hatte er Marie stehen lassen, ihr seine paar Groschen Zulage zukommen lassen, doch sie will eigentlich...
In Anita Vulesicas Inszenierung von «Die Gehaltserhöhung» ist das Bühnenbild so hässlich wie das BVG-Design, der örtliche ÖPNV. Okay, es ist nicht Gelb-Schwarz, sondern Orange-Grau, aber sonst gibt es in der Kammer des Deutschen Theaters in Berlin wenig Raffinesse, dafür viel schnöde Funktionalität. Zwei Fahrstühle, ein Geländergang hinter Plexiglas, links und...
Kurz vor dem Ende werden zwei Darstellerinnen – eine ist die Regisseurin selbst – an Metallhaken an ihrem Rücken emporgehievt. Man hat zuvor auf einem Screen am Bühnenrand gesehen, wie ihnen diese Metallteile in die Rückenhaut eingepflanzt wurden. Zugleich halten sie sich aber an zwei riesigen Donnerblechen fest, die jeweils frontal zu ihnen im Bühnenhimmel...