30 Jahre Mauerfall: Hohe Halden, lichtumwoben
«Erz des Friedens», ein Gedicht, das Werner Kunz 1972 anlässlich des 500-jährigen Bergbau-Jubiläums im Erzgebirge veröffentlichte, gehört zu den absurdesten Verklärungen, die das ideologische «Kaderwelsch» (Brecht) der DDR hervorgebracht hat, um den realsozialistischen Alltag unter ihr utopisches Weltbild zu zwingen. Es romantisiert nichts Geringeres als den Uran-Abbau der legendären Wismut AG, die bereits ab 1946 die zentrale Quelle des sowjetischen Atomwaffenprogramms und bis zur Schließung 1990 der weltweit viertgrößte Uran-Produzent war.
Die «stolzen Türme» sind seitdem Geschichte, und die «hohen Halden lichtumwoben» (mit 310 Mio. m³ Abraumhalden und rund 150 Mio. m³ Aufbereitungsrückständen) strahlen auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung und 6,4 Mrd. Euro für Sanierungs- und Restrukturierungsprogramme weiter: Als kulturelles Erbe und Abwicklungsgeschichte.
Einst exemplarisches Zentrum des gesellschaftlichen Aufbaus Ost – Literatur geworden bei Brigitte Reimann, Heiner Müller oder Werner Bräunig –, heute strukturschwache Randlage mit durchschnittlich 32 Prozent AfD-Wählerschaft, bietet sich das Erzgebirge geradezu als Steilvorlage für das «Ost-West-Ding» an, den ...
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Theater heute Dezember 2019
Rubrik: Magazin, Seite 59
von Anja Quickert
Am Ursprung von Julius Heinickes Habilitationsschrift «Sorge um das Offene» steht eine Enttäuschung: die Erfahrung, dass die Theater zwar erkennen, wie ihre Konzentration auf ein weißes, bildungsbürgerliches Publikum angesichts einer sich rapide wandelnden Gesellschaft ein Problem darstellt, aus dieser Erkenntnis allerdings keine künstlerisch überzeugenden Schlüsse...
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Man weiß es ja, aber hört es dennoch nicht so gerne. Es hat schon seinen Reiz, wenn der Schauspieler Benjamin Lillie in der Rolle des aufrührerischen «Predigers» in Steinbecks Roman dem noblen Zürcher Pfauen-Publikum mit flammendem Blick entgegenschleudert: «Not ist das Abfallprodukt von Menschen ohne Not.» Wie bring ich’s an den hablichen Schweizer, wird sich...
