Zu voller Größe
Zum Trinkwasserreservoir in Edgbaston kommt man, mit etwas Ausdauer, vom Bahnhof auch zu Fuß. Durch das Labyrinth von Baustellen, die in Birminghams Innenstadt für bessere Zeiten werben, geht es zur neuen Bibliothek, die oft nur von außen zu bewundern ist, weil vernünftige Öffnungszeiten teuer sind. Weiter durch die Symphony Hall, die, um Geld in die Kassen zu spülen, so oft vermietet werden muss, dass die hauseigenen Ensembles nicht selten in Bedrängnis geraten. Entlang der Kanalufer locken belebte Bars und Wasserblick-Balkone.
Misstrauische Blicke heften sich in Sozialwohnungsvierteln an die Schulter. Und am See wartet der alte Nachtclub, den Graham Vicks Birmingham Opera Company zum Spielort ihrer diesjährigen Produktion bestimmt hat: Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk».
Postkartenpanoramen bietet der Marsch nicht. Aber als Einstimmung auf die «Lady» eignet er sich ideal. Mit den eifrig Beflissenen, den Vielgeübten der Hochkultur – weiß meist, gutbürgerlich –, gibt sich die BOC nicht zufrieden. Die ganze Stadt soll sich auf der Bühne wiedererkennen. Tatsächlich bietet der Saal dank eines gezielten Castings einen Anblick, der radikal normal ist. Der 100-köpfige ...
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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Wiebke Roloff Halsey
Ein niedliches Dorf nistet zwischen grünen Hügeln, die Häuschen dicht an die Kirche geschmiegt. In Anthony McDonalds «Werther»-Inszenierung sorgt der durchscheinende Prospekt im Portal vor jedem Aktbeginn für Kontext: ein Ort so wohlgeordnet, so hell und überschaubar, dass heimliche Liebe unmöglich ungesehen bleiben kann. In dieses Bild wird das Haus des Amtmanns...
Im Anfang ist die wortlose Wollust. Aber sie ist, trotz der versöhnlich dahinströmenden Klänge im Graben, falsch: einseitig, dominant, unnachgiebig. Ein alter Mann beugt sich an einem schlichten Küchentisch über eine viel zu junge, nur mit einer bordeauxroten Bluse bekleidete Frau, bügelt die Wehrlose brachial platt, spreizt ihre Beine und dringt mechanisch auf...
Jubilare
Giorgio Zancanaro studierte in seiner Geburtsstadt Verona bei Maria Palanda und wurde 1969 beim Wettbewerb «Voci Verdiane» in Busseto entdeckt. Sein Debüt gab der Bariton ein Jahr später als Riccardo in Bellinis «I puritani» in Mantua. Daraufhin rissen sich die großen Opernhäuser Italiens um ihn. Zancanaro gelang es, u. a. als Giorgio Germont in «La...
