Wo bleibt der Mut zum Happy End?

In Berlin inszeniert Tobias Kratzer «Die Frau ohne Schatten» teilweise brillant, in Hamburg verrennt sich Dmitri Tcherniakov bei «Ariadne auf Naxos». Beide aber wollen vom Mythos nichts wissen, ebensowenig von einem guten Ende

Opernwelt - Logo

In der Küche zeigt sich der soziale Unterschied. Eine schicke Kochinsel ziert den großzügigen Bungalow von Kaiser und Kaiserin. Gekocht wird hier natürlich nicht, das wäre zu profan, aber immerhin gefeiert – im dritten Akt nämlich, als die vermögende Familie zur Baby-Party versammelt ist und auf die Kaiserin wartet, die dann aber doch ohne Kind erscheint. Die Färbersleute hingegen, in Tobias Kratzers Berliner Inszenierung Betreiber einer Wäscherei, brutzeln in einer Einbauküche Marke Baumarkt.

Oben auf dem Kühlschrank befindet sich auch noch ein Fernseher, der sonst wohl dazu da ist, die Gesprächsleere zwischen den Eheleuten zu füllen. Jetzt quäken auf dem Bildschirm Neugeborene, ein «Fertility Center» macht Werbung für seine Dienste, dazu werden in der Pfanne Fischstäbchen aufgewärmt: Kratzers Fassung der viel geschmähten Szene, wenn die Färberin Fische brät und dabei die Stimmen der ungeborenen Kinder hört. Mit seinem komischen Einfall rettet der Regisseur diese doch zumindest seltsame Passage, wie bei ihm auch die drei Brüder Baraks, auch sie eigenartige Figuren, eine treffende Charakterisierung bekommen: Bucklige Verwandschaft sind sie, kurz vor dem Abgrund, in Turnschuhen und ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Clemens Haustein

Weitere Beiträge
Verblüffend logisch

Das Bildnis eines jungen Helden, das doch eher eine junge Heldin zeigt, fängt an zu singen. Kurz darauf wandelt die hoch gewachsene brünette Dame, die wir als Wiedergängerin des Ritters Orlando erkennen, leibhaftig über die Bühne des Théâtre du Châtelet. So denn das Zeitalter des Barock, in dem selbst Furien mittels der Magie der Musik besänftigt werden, sich auf...

Editorial Opernwelt 3/25

Man staunt nicht schlecht angesichts der jüngeren Vorfälle an der Berliner Alice Salomon Hochschule (ASH), wo sogenannte «linke» propalästinensische Aktivisten ungestört zur Intifada aufriefen und Zionisten zu unerwünschten Personen erklärten, ohne dass die Hochschulleitung mäßigend eingegriffen hätte. Man staunt über die Chuzpe derer, die den täglich zunehmenden...

Spiel mir das Lied vom Leben

Becketts Figuren sind ausnahmslos erschöpft und ausgelaugt Wartende, im Grunde ähneln sie den Figuren Tschechows. Der Unterschied liegt in der Perspektive. Während Tschechows Figuren auf etwas warten, das in der Zukunft liegt (aber nie erscheinen wird), warten Becketts Figuren nur noch auf das Ende. Sie haben jede Hoffnung, es würde sich in ihrem Leben noch etwas...