Welt-Dichtung
Man ist versucht, Orff und sein Musiktheater für eine rein deutsche Angelegenheit zu halten, gäbe es da nicht den Welterfolg der «Carmina Burana». Im Unterschied zu anderen populären Werken der Moderne begegnet man diesem Chorwerk nicht nur im Konzertsaal, sondern auf Freilichtbühnen, Marktplätzen, Sportstadien – und das rund um den Globus. Mit ihrem vitalistischen Kollektivismus besitzen diese Gesänge auf lateinische Texte des Hochmittelalters wie kein zweites Werk der E-Musik Popstatus. Für und gegen dieses Stück ist alles gesagt und geschrieben.
Für die einen ist es Kult, für die andern neo-neandertalerhafter Primitivismus, wenn nicht gar – wie Pier Paolo Pasolini einmal bemerkte – «typisch faschistische Musik». Hört man die «Carmina Burana» nach langer Abstinenz wieder, so verfällt man selbst als hartnäckiger Skeptiker dem süffigen Sog ihrer simplen Diatonik wie der kalkulierten Naivität ihrer ostinaten Patterns. Und fragt sich, warum Orff dennoch inzwischen so gründlich vergessen ist, wie ein Komponist nur vergessen sein kann. Kein einziges deutsches Theater hatte sich seiner aus Anlass seines 125. Geburtstags am 10. Juli dieses Jahres erinnert. Die Homepage des Münchener ...
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Opernwelt Juli 2020
Rubrik: Magazin, Seite 58
von Uwe Schweikert
Angst ist ein schlechter Ratgeber, heißt es. Tatsächlich kann sie besonnenes Nachdenken, Abwägen, Urteilen verhindern. Doch vergessen wir nicht, dass Angst der erste Ratgeber der Menschheit war. Mehr noch: Sie ist die Elementarform von Gedächtnis. Etwas als Gefahr wahrnehmen heißt: Es erinnert an schon Erlebtes. «So etwas soll mir nicht noch einmal passieren», sagt...
Mit fünf Jahren saß Graham Vick aus Birkenhead im Theater und riss die Augen auf. Der schlecht gelaunte Vater, die Flucht in die Fantasie: J. M. Barrie hatte «Peter Pan» ja direkt aus seinem Leben abgeschrieben! Mit zehn fuhr er abends allein nach Liverpool, um Stücke zu sehen. «Es waren andere Zeiten», erzählt Vick meinen hochgezogenen Augenbrauen. Mit 15 schlug...
Die Realität ist bloß eine Illusion, verursacht durch mangelnden Alkoholgenuss», schrieb jemand, der sich auf solche Ausfallserscheinungen offenbar nicht einlassen wollte, an eine Hauswand in der Wiener Innenstadt. Wir wissen nicht, ob der Schreiber irgendetwas mit Oper zu tun hatte; sicher ist jedenfalls, dass er den Signori Cilea, Giordano, Leoncavallo, Mascagni...