Die große Simulation
Natürlich hat Goethes Theaterdirektor recht: «Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen. Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, und jeder geht zufrieden aus dem Haus.» In diesen unerfreulichen Zeiten hätte man freilich auch Lust, der Hochsprache des Dichterfürsten den phonetischen Kiezjargon Bora Dagtekins entgegenzusetzen: «Fack ju Göhte.» Denn online vermittelte Konserven beispielsweise vermögen ultimative Zufriedenheit nicht zu erregen; das unmittelbare Feedback fehlt einfach.
Selbst live wirkt ein Konzert im TV letztlich doch wie ein gemaltes Dinner – speziell mit Künstlern in Sicherheitsdistanz und vor leeren Reihen.
Zugleich ist bitter nötig, aus dieser schlimmen Lähmung, von der keiner weiß, wie lange sie dauern wird, rauszukommen. Auch wenn solche Versuche nur in Maßen begeistern, eher geisterhaft erscheinen. Wie etwa dieses Live-Event «Spielen für Österreich» der Wiener Staatsoper und des Österreichischen Fernsehens aus dem zuschauerlosen Radiokulturhaus Wien. Wirklich befriedigt dürfte nach dieser Veranstaltung allenfalls Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF, gewesen sein, der auf 210 000 Zuschauer verweisen ...
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Opernwelt Juli 2020
Rubrik: Zwischenruf, Seite 57
von Gerhard Persché
Angst ist ein schlechter Ratgeber, heißt es. Tatsächlich kann sie besonnenes Nachdenken, Abwägen, Urteilen verhindern. Doch vergessen wir nicht, dass Angst der erste Ratgeber der Menschheit war. Mehr noch: Sie ist die Elementarform von Gedächtnis. Etwas als Gefahr wahrnehmen heißt: Es erinnert an schon Erlebtes. «So etwas soll mir nicht noch einmal passieren», sagt...
Mit fünf Jahren saß Graham Vick aus Birkenhead im Theater und riss die Augen auf. Der schlecht gelaunte Vater, die Flucht in die Fantasie: J. M. Barrie hatte «Peter Pan» ja direkt aus seinem Leben abgeschrieben! Mit zehn fuhr er abends allein nach Liverpool, um Stücke zu sehen. «Es waren andere Zeiten», erzählt Vick meinen hochgezogenen Augenbrauen. Mit 15 schlug...
Herr Manacorda, Sie haben im Frühjahr, kurz vor Ausbruch der Corona-Krise, am Brüsseler Théâtre La Monnaie noch Mozarts drei Da-Ponte-Opern als zusammenhängenden Zyklus dirigiert, den Jean-Philippe Clarac und Olivier Delœuil als verzahnte Fortsetzungsgeschichte erzählen. Wie lange haben Sie sich auf dieses Experiment vorbereitet?
Insgesamt mehr als zwei Jahre! Ein...