Weimar, Rossini: Otello
Da steht sie nun also, diese Frau. Das Leben hat es nicht gut gemeint mit ihr, oder besser: die Gesellschaft, die vorschreibt, wie ein Leben zu leben sei. Desdemona hat die ihr gegebenen Vorschriften ignoriert, bewusst ignoriert, hat sich, als ein Akt des offenen Widerstands, mit ungebremster Wucht gegen ihren Vater, den Patriarchen Elmiro gestellt, hat ihm ihr «Nein» zu seinem obskuren Lebensideal ins Gesicht geschleudert. Deswegen steht sie jetzt hier. Im unschuldsweißen Nachthemd. Mit einer Wasserschüssel über dem Kopf.
Daraus erst Tränentropfen, dann wahre Tränenbäche auf ihren geschundenen Körper fallen.
Ein starkes Bild einer starken Frau. Die Frau in der Revolte. Und wenn dann die Harfen und Flöten im Orchester anheben, die Canzone der Desdemona «Assisa a’piè d’un salice» mit flirrend ätherischen Tönen zu begleiten, und wenn die wunderbare Ulrika Strömstedt dieses Herzstück des Dramma per musica «Otello (Otello ossia Il moro di Venezia)» von Gioacchino Rossini mit einer inniglichen Inbrunst singt, dann ist man sehr geneigt, die Welt für eine Sekunde anzuhalten und dieser Frau dort oben auf der Bühne sein ganzes Herz, all seine Illusionen zu schenken. Und was will man mehr, ...
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