Von der rituellen Präsenz des Wortes
Dies ist der vierte Mitschnitt von Carl Orffs hybrider Vertonung der sophokleischen «Antigonae» in der deutschen Nachdichtung Friedrich Hölderlins. (Die anderen stammen von der Salzburger Uraufführung 1949, der Münchner Erstaufführung 1951 und der Stuttgarter Inszenierung Wieland Wagners 1956). Er entstand 1958 im Herkulessaal der Münchner Residenz mit Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks. Begegnet man dem selten gespielten Werk im Theater, so kann man der Konsequenz, mit der Orff hier so gut wie alles negiert, was man mit dem Begriff Oper verbindet, den Respekt nicht versagen.
Zu Hause legt man die CDs mit einem gewissen Bangen auf und wird doch, jenseits von aufklärerischer Moral, schnell hineingezogen in Sophokles‘ unerbittlich aktuelle Auseinandersetzung, Hölderlins heilig-nüchterne Sprache und Orffs musikalische Umsetzung, die über zahllose, in der Partitur aufs Genaueste notierte deklamatorische Abstufungen vom rhythmisch skandierten Sprechen bis zum expressiven melismatischen Ausbruch reicht.
Das ist nicht zuletzt den Sängerinnen und Sängern zu danken, die die rituelle Präsenz des dichterischen Wortes mit allem Nachdruck realisieren. Die großen, zum Kern des ...
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