Vergesst Goethe!
Der liebe Gott ist auch dabei. Wenn Hörner, Trompeten und Posaunen fortissimo den Vorhang zum grotesken Mysterienspiel wegblasen, hat er schon im Himmel Platz genommen. Ein schrulliger Alter mit wilder Mähne und weißem Rauschebart. Für die putzigen Putten, die um ihn herum am Firmament kleben, scheint er sich nicht zu interessieren.
Eher schon für Frau Faust auf dem Bühnenparterre, von deren «belleza» er über zwei Bass-Oktaven und achtzehn Takte hinweg schwärmt, bevor Señor Mefistófeles, soeben im feuerroten Dreiteiler aus dem Unterboden aufgefahren, ein erstes Bariton-Sätzchen singen darf. Während die beiden Herren in Zwölfachteln über das Gute und das Böse disputieren, zeigt die Haus(hub)-technik des Teatro Real, was sie kann: nämlich geräuschlos eine Art Turm zu Babylon auf die Bühne zaubern. Als Doktor Faust, der hier auf den Namen Faust-bal hört und auch nicht Doktor, sondern eine von der Männerwelt schwer enttäuschte Sopran-Heroine ist, sich zu einem zweigestrichenen «gis» aufschwingt und molto espressivo kundtut, dass ihm, pardon: ihr, nur das Beste gut genug ist, füllt der Bau den ganzen Guckkasten – mit Zinnen, Balustraden, Balkons und zwei showtauglichen Treppen links ...
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Eines der markanten Merkmale des Mannheimer Nationaltheaters sind die Logenbalkons aus rohem Sichtbeton, die im Laufe der Jahre schmuddelig und dunkel geworden sind. Ob sich Regisseurin Monique Wagemakers und Bühnenbildner Thomas Rupert für ihre Deutung der «Ariadne auf Naxos» von dieser Architektur haben inspirieren lassen, sei dahingestellt. Wenn der Vorhang...
Roman Brogli-Sacher, Lübecks seit Neuestem auch Regie führender GMD, ist nicht der Erste, der die Korrespondenz der «Salome»-Partitur zur bildenden Kunst entdeckt hat, aber er hat mit dem von Ulrike Radichevich zum Bühnenbild umfunktionierten Gemälde «Ad Parnassum» von Paul Klee eine besonders überzeugende Trouvaille vorgestellt: ein Bild von einer die Musik...
Der Mond über dem Palast des Herodes bleibt unsichtbar. Für den Pagen, der ihn mit «einer Frau» vergleicht, «die aufsteigt aus dem Grab»; für die Prinzessin, die ihn als «silberne Blume» besingt, «schön und keusch»; auch für den Tetrarchen, der in ihm «ein wahnwitziges Weib» erkennt, «das überall nach Buhlen sucht». Nicolas Brieger braucht für seine schlüssige...