Vanitas heute
Schon während der Aufführung fragt man sich, warum eigentlich dieses 1890 in Turin uraufgeführte Werk nicht in den Spielplänen auftaucht. Liegt es daran, dass der 1893 im Alter von nur 39 Jahren verstorbene Alfredo Catalani zwischen den beiden Schwergewichten Verdi und Puccini erdrückt wurde? Oder an der Vermessenheit, einen so eminent deutschen Stoff wie die Loreley aus einer italienischen Perspektive, sozusagen als Exotikum zuzubereiten? Am Stück selbst kann es nicht liegen.
Das Libretto von Carlo d’Ormeville und Angelo Zanardini wirft einen hochinteressanten Blick auf die romantische Legendengestalt. Es zeigt nicht, wie die Frau auf dem Felsen die Männer verführt, sondern wie sie dazu gemacht wird – ihren Weg von der enttäuschten Liebenden zur Rachegöttin. Auch das große Thema des Bürgers im 19. Jahrhundert, die Angst vor der unkontrollierbaren weiblichen Sexualität, spukt durch die Geschichte. Venus und Elisabeth sind hier die erotisch aktive Loreley und Anna, die ehrbare Nichte des Markgrafen Rudolfo; zwischen ihnen schwankt der leicht verführbare Walter hin und her, und in einem flüchtigen Moment meint man auch einige «Tannhäuser»-Harmonien aus dem Orchester zu vernehmen. Die ...
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Es ist Nacht über Sankt Petersburg. Unheilvolle Nacht, tonartenlos zunächst. Nur noch jene verlorenen Seelen, denen die Hoffnung auf ein besseres Leben längst abhanden gekommen ist, treiben sich auf den Straßen herum. Unter ihnen die einstige «moskowitische Venus». Wo früher der Lippenstift gezückt wurde, geht der Griff nun zum Flachmann; schmählicher Trost einer...
Vor elf Jahren war’s, bei «Mozart 22», der Gesamtschau zu dessen 250. Geburtstag in Salzburg. Festspielintendant Peter Ruzicka hatte die Idee, das Singspielfragment «Zaide» mit einem heutigen Pendant zu verbinden, die israelische Komponistin Chaya Czernowin lieferte «Adama» hinzu. Der Titel ist eine hebräisch-arabische Worterfindung aus den Begriffen für Erde, Blut...
Ach, der Sommer! Faule Nachmittage in der Sonne, blühende Gärten, Picknicks auf der Wiese – und Oper Open Air. Wir Briten fahren auf Outdoor-Bühnen total ab. Beim ersten Sonnenstrahl im April rauscht alle Welt zum Baumarkt, um Grill und Gartenmöbel zu kaufen; zugleich gehen Tickets zu Freiluftveranstaltungen aller Art weg wie warme Semmeln. Gerade so, als hätten...
