
Im Taumel der Tragödie: Corinne Winters (Violetta); Foto: Theater/Sandra Then
Totentanz
Violetta hebt ihr eigenes Grab aus. Sie, die hör- und spürbar am Leben hängt, im letzten Augenblick noch das Glück der Liebe erfährt. Falsch? Oder Korrektur einer schönfärberischen Vorstellung? Eben war noch der Karnevalstrupp wie ein Spuk hereingehuscht. Das vierte Bild von Verdis «La traviata» in Daniel Kramers Basler Neuinszenierung ist der düstere optische Widerhall der vorausgehenden. Violetta, die Gestalt im Mittelpunkt, geht immer weiter auf Distanz zur Sex- und Jux-Kommune, die anfangs in den pianissimo-Schluss des Vorspiels geplatzt war und sich fortan austobt.
Die Damen und Herren der Pariser Halbwelt präsentieren sich in grotesken Outfits (Kostüme: Esther Bialas), auf das Absurdeste be- und entkleidet, mit tollkühn neobarockem Kopfputz, in angeregtester erotischer Vollbeschäftigung. Lizzie Clachan entwarf für den blütenweißen Ball ein glitzerndes Raumrund, mit Leuchtsäulen und Spiegeleffekten allüberall. Ein Bild, das über das Landidyll steil bergab in jene Sphäre führt, da der Taumel der Tragödie weicht. Der Dreivierteltakt als Basis eines Totentanzes. Dem Intendanten der koproduzierenden English National Opera gelingt ein angemessenes Porträt: Niedergang einer ...
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Opernwelt Dezember 2017
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Heinz W. Koch
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Musikwissenschaftler und andere Puristen dürften nach Betablockern verlangen, den geneigten Abonnenten freut’s. «Les Troyens» auf dreieinhalb Stunden inklusive Pause heruntergekürzt, das ist nicht so arg wie bei Philipp Stölzls «Rienzi»-Quickie in Berlin, aber ein im Doppelsinn einschneidender Fall in Sachen Grand Opéra. Nicht nur, dass am Staatstheater Nürnberg...