Solo für Violetta
Etwas ist anders als sonst. Weit und breit kein Orchester in Sicht, auch den Chor, der in Verdis «Traviata» die Rolle der vergnügungssüchtig-degenerierten Gesellschaft spielt, sucht man vergebens.
Nur drei Menschen befinden sich im hochgefahrenen Graben des Hildesheimer Theaters: Studienleiter Panagiotis Papadopoulos, umgeben von einem Notenpult samt Partitur sowie einem Computer, geleitet die Sängerinnen und Sänger mit ruhiger Dirigierhand durch den Abend; zu seiner Rechten, an einem Klavier, sitzt Demian Ewig, ebenfalls ein hochsensibler Musiker, der die Tasten lieber streichelt als auf ihnen herumzudreschen, wie es Korrepetitoren zuweilen zu tun genötigt sind, weil sie ein ganzes Orchester imitieren müssen. Und dann ist da noch diese Frau im silbermetallic-schimmernden, herausfordernd dekolletierten Abendkleid. Wir kennen sie. Aber es ist nicht jene Kameliendame, die zweieinhalb Stunden später einen tragisch-tränenreichen Bühnentod stirbt. Es ist die Violetta Valéry, die sich mit Hilfe der Gegenstände, die sie so behutsam aus einer edelhölzernen Schatulle herausnimmt, als seien es zerbrechliche Schätze, erinnert, die noch einmal durchlebt, was der anderen Violetta widerfahren ist. Damals, um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum, in Paris, der schönen Zauberstadt. ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Jürgen Otten
Ein unwiderstehliches Angebot für wohlhabende Junggesellen: Für nur 999,99 Euro ist die neueste Kammermädchenversion Vespetta zu haben. Sie wäscht, bügelt, putzt, kocht nicht nur, sondern lässt auch noch die Brüste nach Belieben des Besitzers blinken. Nur dass der Käufer Pimpinone nicht damit gerechnet hat, dass sich die Puppe nach Ablauf der Rückgabefrist in eine...
Die meisten Dirigenten der Gründergeneration der historisch informierten Aufführungspraxis begannen zunächst als Instrumentalisten – Nikolaus Harnoncourt als Cellist, Frans Brüggen als Flötist, Sigiswald Kuijken als Geiger, William Christie, Christopher Hogwood und Ton Koopman als Cembalisten. Jordi Savall ging denselben Weg und fällt doch aus dem Rahmen. Er hat...
Inzest ist auf der Opernbühne keine Seltenheit. Ganz offen wird das Tabuthema Geschwisterliebe in Richard Wagners «Walküre» verhandelt, missbräuchliche Vater-Tochter Begierden rumoren gefährlich auch in Richard Strauss’ «Salome» und bilden so den Urgrund für das vom Todestrieb besessene Begehren der Titelfigur. Wie sich überhaupt dysfunktionale Familienstrukturen...