Sehnsucht nach der Jugend

Hans Werner Henzes «Gisela oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks» bei der Ruhrtriennale

Die Gladbecker Halle Zweckel im Norden des Ruhrgebiets ist ein imposanter Bau aus den heroischen Zeiten der Schwerindustrie. Nostalgie hängt im dunstigen Luftraum. Der erhebt sich hoch über den Gleisen, die Christof Hetzer unten auf dem Hallenboden in altem Stil neu verlegen ließ. Birkenbäumchen wachsen aus dem Schotter. Eine idyllisierte Industriebrache, wie so viele Spielorte der Ruhrtriennale. Dargestellt werden soll hier freilich der Bahnhof Napoli Centrale.

Unter einem Screen, der über einem Laufsteg hängt, kommt der nachtaktive Reiseführer Esposito zum Vorschein – in Gestalt von Fausto Reinhart ein gut genährter, doch agiler Kindskopf mit kraftvoller, aber auch melancholischer Stimme. Er bringt nicht nur angereisten Nordlichtern die Sehenswürdigkeiten Neapels näher, sondern treibt nebenbei als Pulcinella in einer Theatergruppe sein neckisches Spiel.

Auf Gleis 1 rollt ein Zug ein. Eine Studentin aus Deutschland mit dem schönen Namen Gisela Geldmaier steigt aus. Sie kommt mit dem Vulkanforscher Hanspeter Schluckebier aus Oberhausen ins Land, wo die Zitronen blühen. Aber das Paar ist sich nicht mehr grün. Michael Dahmen gibt den linkischen Wissenschaftler; er hat eine markante, ...

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Opernwelt November 2010
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Frieder Reininghaus

Vergriffen
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