Scherzo als groteske Harlekinade

Mannheim / Nationaltheater Wagner: Siegfried

In ihrem Tagebuch notiert Cosima Wagner von den Ring-Proben 1876, dass den Kindern der erste Akt Siegfried am besten gefallen habe. Kinder wären auch die idealen Zuschauer für Achim Freyers am Puppenspiel und Kasperletheater orientierter Mannheimer Inszenierung. Für das Scherzo in Wagners Ring-Sinfonie vom Anfang und Ende der Welt verzichtet Freyer auf das optisch abstrahierende Versuchslaboratorium aus Kreis, Trapez und Linie, in das er zuvor Rheingold und Walküre gebannt hatte.

Geblieben ist der leere, nach allen Seiten abgeschlossene Raum – zu Beginn blütenweiß, am Ende blutrot, dazwischen als ständig changierendes Lichtgemälde magisch illuminiert mit Anklängen an die Bildfantasien von Caspar David Friedrich oder Mark Rothko. Geblieben ist auch der Wille, mit der Visualisierung Text und Musik nicht naturalistisch zu verdoppeln, gar vulgärpsychologisch zu kolorieren, sondern ganz auf die Autonomie der Bilder, Gesten und Bewegungen zu vertrauen.

Auf der Szene selbst herrscht surrealistische Bezüglichkeit und eine groteske Harlekinade, wie sie noch in keiner Siegfried-Inszenierung zu sehen war. Für Freyer ist Siegfried ein Zombie, eine Züchtung aus Götter- und Zwergenwillen, ...

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Opernwelt Januar 2013
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Uwe Schweikert

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