Plötzlich im luftleeren Raum

Viele freiberufliche Sänger stürzt die Einstellung des Konzert- und Spielbetriebs in existenzielle Nöte. Julian Prégardien, Nikolai Schukoff, Matthias Goerne, Juliane Banse, Tareq Nazmi, Tara Erraught und der Künstleragent Michael Kocyan über die Folgen des beispiellosen Stillstands

Opernwelt - Logo

Verspottet hätten sie ihn, 14-mal. In Luxemburg, Innsbruck, Mailand, Moskau, Luzern oder Paris. Und Julian Prégardien hätte als Evangelist davon berichtet, vom Bespeien und Schlagen des Heilands, mit gebotener, von ihm gewohnter Emphase. Mutmaßlich. Denn irgendwann, in der zweiten Märzhälfte, ereilte auch den Tenor das Schicksal: Alle Matthäus-Passionen mit dem Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe wurden gestrichen. Kein Ausfall, den man einfach so wegsteckt: «Diese Wochen stellten ein Viertel meines Jahresumsatzes dar.»

Passionszeit, das ist wie Advent.

Die fruchtbarsten, einträglichsten Phasen für freie Sänger und Instrumentalisten. Manche kommen dank dieser Wochen überhaupt erst auf ein fünfstelliges Jahresgehalt. Nach Angaben der Künstlersozialkasse beträgt das durchschnittliche Bruttoeinkommen freiberuflicher Musiker 13.000 Euro – einen Spielraum für Rücklagen gibt es also nicht. Prégardien räumt ein: Hunger leiden müsse er nicht so schnell, schließlich sei da noch die Professur in München. Dennoch machte sich anfangs Furcht breit – und eine gehörige Portion Wut. «Ich will Corona keinesfalls kleinreden», sagt Prégardian. Aber angesichts der Grippe-Toten «wurde nie ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2020
Rubrik: Thema, Seite 18
von Markus Thiel

Weitere Beiträge
Was kommt... Mai 2020

Theaterdämmerung in Paris
Die Opéra national mit den Spielstätten Palais Garnier und Bastille (Foto) steuert nach Streiks und wegen des Corona-Lockdowns auf ein gewaltiges Defizit zu. Andere Musiktheater, Schauspiel- und Tanzbühnen in der französischen Metropole befürchten, die Krise womöglich nicht zu überleben. Eine Reportage

Kate Lindsey
Männer kann sie...

Komm, Hoffnung...

«Mir graut vor meinem Schatten», schrieb Arno Holz. Grauen, Angst vor etwas, das nicht weicht, an uns klebt und gelegentlich überholt. Angst vor dem Unwägbaren, das uns sogar veranlasst, den Grundtrieb des zoon politikon, des Gemeinschaftswesens, zumindest zeitweise zu verleugnen. Und dazu bringt, uns zu vereinzeln – etwa Opernaufführungen allein vor dem Fernseh-...

Apropos... Quereinsteiger

Herr Workman, Sie wollten zunächst Schauspieler werden ...
So ist es. Meinen ersten Uni-Abschluss habe ich im Sprechtheater gemacht. Mit 21 bin ich sogar für ein Jahr nach New York gegangen, ohne irgendwo engagiert zu werden. Nebenher habe ich Trompete gespielt und Gesangsunterricht genommen. Damals habe ich nie an Oper gedacht, eher schon konnte ich mir eine...