Musik heißt: nachdenken

Die Moderne muss kein Ausnahmefall sein, sie kann auch zum Renner werden. Das hat vor allem einer bewiesen: Ingo Metzmacher. Durch kluge Konzertprogramme, zuletzt mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in Berlin, durch Opernproduktionen wie Nonos «Al gran sole» bei den Salzburger Festspielen 2009, aber auch mit unverquast formulierten Büchern. Metzmacher ist ein so kompromissloser wie umgänglicher Vorkämpfer. Und ein leidenschaft­licher Analytiker – etwa bei Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» an der Wiener Staatsoper oder Schrekers «Der ferne Klang» an der Oper Zürich. Besonders für «Al gran sole» (Inszenierung: Katie Mitchell, Ausstattung: Vicki Mortimer, Klangregie: André Richard), aber auch für die anderen beiden Produktionen wurde Metzmacher zum «Dirigenten des Jahres» gewählt. Dass er auch 2010 bei den Salzburger Festspielen einen großen persönlichen Erfolg feiern konnte (mit der Uraufführung von Rihms «Dionysos»), passt da ins Bild.

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Herr Metzmacher, im Programmheft zur Salzburger Uraufführung von Wolfgang Rihms «Dionysos» beschreiben Sie Ihren ersten, vorsichtigen Kontakt mit der neuen Partitur. Wovor haben Sie in einer solchen Situation am meisten Angst?
Vor gar nichts. Ich bin nur neugierig. Im Falle von «Dionysos» kam die Partitur schubweise. Es war jedes Mal sehr spannend zu sehen, wie sich das Werk fortentwickelt. Die Tatsache, dass die Oper erst rund zwei Monate vor der Premiere fertig komponiert war, gehörte für mich zu den besonders tollen Erfahrungen.

Das hat alle die auf Trab gebracht, die sonst immer vier, fünf Jahre vorher schon alles wissen (lacht). Diese Art von Planung halte ich oft für problematisch. Sie hat die Betriebe behäbig und unspontan gemacht. Wenn ich könnte, würde ich einmal pro Jahr eine Premiere herausbringen, bei der nicht klar ist, was das für ein Stück wird. Es müsste viel kurzfristiger entschieden werden, es könnten mehr aktuelle Bezüge hergestellt werden, das Publikum würde echte Überraschungen erleben.

Genießt man bei einer Uraufführung die totale Freiheit? Oder ist man gehemmt, weil man ohne Tradition auskommen muss?
Ich versuche immer, ob Moderne oder älteres Werk, eine ...

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Opernwelt Jahrbuch 2010
Rubrik: Dirigent des Jahres 2010, Seite 20
von Markus Thiel

Vergriffen
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