Molto vivace
Cottbus hat eines der schönsten Theaterhäuser Deutschlands, den 1908 von Bernhard Sehring errichteten, unversehrt gebliebenen Jugendstilbau. In dem Vierspartenhaus wird inhaltlich und ästhetisch Vielschichtiges, zuweilen Bedeutsames auf die Beine gestellt. Dabei erinnert Intendant Stephan Märki sein Publikum gerne daran, «wie brüchig unser Leben ist».
Solcher Einsicht eingedenk präsentierte das Staatstheater schon in der vergangenen Saison «L’Orfeo» als «modernen Mythos frei nach Monteverdis Oper» – ein gewagter (nun wiederaufgenommener) Versuch des Komponisten Michael Wilhelmi und der Regisseurin Claudia Meyer, der stummen Orpheus-Gespielin Eurydike mit Texten Elfriede Jelineks eine stärkere Präsenz zu verleihen.
Auch für Puccinis «La Bohème» findet Meyer einen ungewohnten Zugang. Gezeigt wird nicht die tragische Pariser Dachgeschossromanze; Ort der verwirrenden Liebesgeschichte ist ein kleiner (armer) Zirkus mit dem Dichter Rodolfo im Zentrum, seinen derangierten Künstlerfreunden und einem bunten Völkchen auf nachtschwarzer Bühne – hier eine Art Manege, die sich zuweilen dreht und wo junge Leute von heute (Kostüme: Regine Standfuss) eine gleichermaßen traurige wie übermütige ...
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Opernwelt Januar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Wolfgang Schreiber
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