Mit den Waffen einer Frau

Eine bezwingende Parabel über den designkalten Westen: Lullys «Armide» an der Opéra Royal in Versailles

Opernwelt - Logo

Sie möge doch bitteschön endlich heiraten, gibt der alte und blinde Onkel Hidraot seiner Nichte Armide zu verstehen. Denn der König von Damaskus (Tomislav Lavoie) erwartet einen würdigen Nachfolger in der Herrschaft über sein Reich. Doch die charismatische Prinzessin, die gemäß Tassos Epos «La Gerusalemme liberata» und in der Libretto-Lesart von Philippe Quinault auch über außergewöhnliche Zauberkräfte verfügt, besteht auf ihrer Autonomie. Frei will sie sein, ihr Herz soll selbstbestimmt bleiben.

Stéphanie d’Oustrac ist an der Opéra Royal von Versailles diese widerspenstigstarke Frau – wie es scheint, eine Französin durch und durch, emanzipiert und stolz, entscheidungsund empfindungsstark. Sie weiß, was und wen sie will. Und sie kann die Männer haben, die sie begehrt. Die Mezzosopranistin, die im französischen Barockfach fast so sehr eine Institution ist wie Cecilia Bartoli im italienischen, gleicht einer Bühnenlöwin, die jede Phrase der dominanten Rezitative dramatisch durchpulst, die Eros und Hass, Feuer und Gift in der Stimme hat, die ihren Lully nicht säuselt, sondern in machtvoll geradegezogenen Tönen modern macht.

Dominique Pitoiset hilft ihr in seiner Inszenierung nach ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juli 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Peter Krause

Weitere Beiträge
Meister und Margarita

Unter ihrem neuen Künstlerischen Leiter Yuval Sharon hat die Detroit Opera nicht nur ihre künstlerischen Ambitionen hochgeschraubt, sondern auch den Horizont in Sachen Inklusivität erweitert: Die Inszenierung von Osvaldo Golijovs «Ainadamar» («Der Brunnen der Tränen») war die erste spanischsprachige Produktion des Hauses – und das vor einem auffällig diversen...

Die Nackten und die Toten

Dieses Bild ist nichts für zarte Gemüter. Ein unwirtlich-steriles Krankenhauszimmer in trübem Grauweiß, gerade mal zwei Meter hoch, vollgestellt mit Gerätschaften. Mittendrin ein schmales Bett, darin, mit dem Tropf verbunden, eine Schlafend-Träumende: Ophelia. Halb weilt sie, von Horatio, dem treuen Freund, behutsam bewacht, noch unter den Lebenden, halb liegt sie...

Aus der Mitte entspringt ein Fluss

Kaija Saariaho kam am 14. Oktober 1952 in Helsinki zur Welt. Wie alle später europa- und weltweit bekannt gewordenen Musikerinnen und Musiker Finnlands studierte sie an der Sibelius-Akademie ihrer Geburtsstadt (in ihrem Fall: Komposition). Doch von dem konservativen Klima in der gerühmten Akademie war die junge Saariaho ganz und gar nicht begeistert. Deshalb...