Menschenwerk und Gottes Beitrag
Das Schicksal des Menschen ist, so scheint es zumindest, elastisch. Es kann prokastiniert, gedehnt und verzögert werden, nicht jedoch ins Unendliche. Unweigerlich kommt irgendwann der Moment, in dem das Gummi des Lebens reißt und der Tod durch die Tür tritt, unheimlich, still und nur selten leise. Dem (Musik-)Philosophen Vladimir Jankélévitch verdanken wir die Erkenntnis, dass dieser Augenblick, als «vereinzeltes und unvergleichliches Ereignis», sich auf keinen Begriff bringen und in keine Kategorie zwingen lässt.
Auch der Tod selbst, jene durchscheinende Membran, die das Diesseits vom Jenseits trennt, ist Mirakel und Stachel, er trägt, wie Jankélévitch es in seiner dialektisch durchwirkten und gerade deswegen so delikaten Studie «La mort» aus dem Jahr 1977 schreibt, das Gepräge des Absurden. Er ist eine Leere, die plötzlich im Leben eines jeden Wesens aufbricht: «Das Seiende, das wie durch eine wundersame Verfinsterung plötzlich unsichtbar wird, stürzt auf einmal durch eine Falltür des Nicht-Seins».
Für die Titelfigur in Dallapiccolas Bühnenwerk «Il prigioniero», das die Erfahrungen des Komponisten mit Krieg wie Faschismus widerspiegelt und als gebrochenes Dokument menschlicher ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Jürgen Otten
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