Lustvoll an der Oberfläche

Purcell: The Fairy Queen Stuttgart / Schauspielhaus

Opernwelt - Logo

Blutüberströmte Kinderleichen, literweise Sperma, durchbohrte, geschändete Körper, Regie-Berserker, Bühnen-Radikaler ‒ ob Calixto Bieito solche Markenzeichen, die ihm von Dramaturgen und Marketingabteilungen der Theater voran- und von der Kritik hinterhergetragen werden, nicht langsam fad werden? Während alle Welt den Mann auf den Wiedererkennungswert «Skandal» festzerren will, versucht er selbst immer wieder, die sehnlichst erwartete Provokation (denn Theater brauchen ihre Schlagzeilen) zu umgehen.

Und damit zu zeigen, dass «Radikalität» keine Handschrift, sondern die Forderung eines Stückes sein sollte.

Und die zerschellt an einer filigranen Komödie wie Shakespeares «Sommernachtstraum», in der zwar schmerzhafte Erfahrungen mit der Liebe gemacht werden, die aber nicht die Welt umstürzen, sondern nur die schlichte Tatsache ihrer Triebsteuerung bestätigen. Die disparaten Handlungsebenen bei Shakespeare wurden von den Theaterleuten der englischen Restaurationszeit nochmals fragmentiert, verwässert und mit Musikeinlagen von Henry Purcell verquickt, so dass in der semi-opera «The Fairy Queen» von 1692/93 von einer durchgehenden Handlung nicht viel übrig blieb.

Wer also die «Fairy Queen» ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2016
Rubrik: Panorama, Seite 54
von Michael Struck-Schloen

Weitere Beiträge
Ausgezeichnet

Sieben Stücke für das Musiktheater hat er geschrieben, darunter ein Werk über «Gilgamesch», das älteste Epos der Literaturgeschichte, und eine Reflexion über den Orpheus-Mythos: «Der unendliche Gesang». Das Unabschließbare, Uneinholbare, Ungeordnete ist überhaupt der mentale Ausgangs- und Angelpunkt des Komponisten, dem das Kuratorium der Ernst von Siemens...

Traktat über die Zukunft der tonalen Musik

Franz Schmidts oratorisches Hauptwerk, «Das Buch mit sieben Siegeln», hat seinem Namen oft alle Ehre gemacht. Lieblings- und Problemstück in einem, wurde es früher gern mit Mozart-Tenören besetzt, die dieser Johannes-Passion eine lyrische Fragilität und enorme Subtilität abgewannen. So in dem legendären Salzburger Live-Mitschnitt mit Anton Dermota (1959 unter...

In Kopf und Körper

Ich muss eine Rolle im Kopf und im Körper spüren, um mich reif dafür zu fühlen», äußerte Vesselina Kasarova einmal im Gespräch. Deswegen wollte sie nie von unten an der Decke des von ihr gewählten Faches kratzen, sondern souverän auf dessen Boden stehen. Lange hat sie sich daher auf das Belcanto-Repertoire konzentriert. Erst relativ spät kamen lyrische und...