Liebe zum Leben
Es könnte ein Raum sein, den Anna Viebrock in die Welt gesetzt hat. Ein Wartesaal, womöglich ein schlossähnliches Gebäude. Ein milchiges Fenster. Fotos einer schönen Frau. Und jede Menge Stühle. Links ein Hügel aus dunkelbraunem Sand. Aber davor die Todesgrube, gebuddelt im göttlichen Auftrag, bestimmt für Eurydike.
Mittendrin in dieser Stätte des Todes, die Harald Thor ersonnen hat, zwei Tänzer, ein junger Mann, eine junge Frau (beeindruckend ausdrucksstark: Paul und Julia Zeplichal) sowie der mythische Sänger: Orpheus, der Thrakier, dessen Musik die Idee von der Welt verändern konnte, und der jetzt hier sitzt, in einem schwarzen Anzug, und die Welt nicht mehr versteht, weil ihm seine Liebe entwunden wurde. Orpheus, den Ulrike Mayer famos spielt und meist auch famos singt (einige Töne rutschen ihr aus der Spur, einige sind nur angeschliffen), aber weiß es noch nicht. Sitzt da, trinkt Absinth, erfährt die grauenvolle Nachricht auf seltsamem Weg. Schweigend. Getanzt. Das Orchester wartet im Graben, zehn Minuten lang, vielleicht sogar eine Viertelstunde, man vergisst die Zeit, wenn jemand stirbt. Die ganze Trauer liegt in diesem Beginn, das ganze Schaudern, das der Tod ...
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