Liebe zum Leben
Es könnte ein Raum sein, den Anna Viebrock in die Welt gesetzt hat. Ein Wartesaal, womöglich ein schlossähnliches Gebäude. Ein milchiges Fenster. Fotos einer schönen Frau. Und jede Menge Stühle. Links ein Hügel aus dunkelbraunem Sand. Aber davor die Todesgrube, gebuddelt im göttlichen Auftrag, bestimmt für Eurydike.
Mittendrin in dieser Stätte des Todes, die Harald Thor ersonnen hat, zwei Tänzer, ein junger Mann, eine junge Frau (beeindruckend ausdrucksstark: Paul und Julia Zeplichal) sowie der mythische Sänger: Orpheus, der Thrakier, dessen Musik die Idee von der Welt verändern konnte, und der jetzt hier sitzt, in einem schwarzen Anzug, und die Welt nicht mehr versteht, weil ihm seine Liebe entwunden wurde. Orpheus, den Ulrike Mayer famos spielt und meist auch famos singt (einige Töne rutschen ihr aus der Spur, einige sind nur angeschliffen), aber weiß es noch nicht. Sitzt da, trinkt Absinth, erfährt die grauenvolle Nachricht auf seltsamem Weg. Schweigend. Getanzt. Das Orchester wartet im Graben, zehn Minuten lang, vielleicht sogar eine Viertelstunde, man vergisst die Zeit, wenn jemand stirbt. Die ganze Trauer liegt in diesem Beginn, das ganze Schaudern, das der Tod ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Keine Frau, spottet Despina, sei bisher an Liebeskummer gestorben. Ob sie wirklich glaube, erwidert darauf Dorabella, dass einen anderen lieben könne, wer einen Guglielmo oder Ferrando hatte. Die Fehlleistung, dass sie erst den Liebhaber ihrer Schwester nennt – ist komponiert. Die in der musikalischen Phrase nach «Guglielmo» stehende Pause übersetzt Vincent...
Die Schlachten waren längst geschlagen, und in Erinnerung blieben die Momente der Überwältigung. «Ja, so ein sieghaftes hohes C, wie’s die Mali gehabt hat, bleibt in Herz und Ohr», schrieb Hans Richter, der erste «Ring»-Dirigent, an Amalie Materna, Wagners Brünnhilde von 1876. Der Brief stammt aus dem Jahr 1911. Da hatte Materna ihre Karriere schon fast zwanzig...
Fantastischer, silbrig schimmernder Zauberwald, der sich wie von Geisterhand bewegt (und doch nur aus vielfach verzweigten Männerkörpern besteht) oder eine grüne Schlafzimmer-Traumlandschaft vor riesiger Mondsichel? Welches Ambiente wird Shakespeares berühmtester Komödie in der kongenialen Vertonung von Benjamin Britten aus dem Jahr 1960 besser gerecht?
Peter Halls...