Vom Varieté auf die Couch
Zwischen Farce und Drama liegt manchmal nur ein Augenblick. Ist die Stimmung gerade noch heiter überdreht, funkt plötzlich das böse Schicksal dazwischen und bringt alles auf Tragödienkurs. Die Lacher verstummen, die Mienen verdunkeln sich. Die Lust am schrillen Unsinn schlägt jäh in depressiven Tiefsinn um. Und doch kommt die Nähe des scheinbar Disparaten nicht von ungefähr, handelt es sich doch womöglich bloß um unterschiedliche Strategien, um mit dem Ernst der Lage fertig zu werden.
Manchmal liegt zwischen Farce und Drama auch bloß eine Theaterpause.
Zum Beispiel wenn man, wie der Regisseur Christian von Götz nun an der Oper Köln, eine ins Slapstickhafte driftende Politsatire wie die auf einem Guillaume-Apollinaire-Text fußende Opéra-bouffe «Die Brüste des Tiresias» von Francis Poulenc mit einer psychoanalytisch eingefärbten Dekonstruktion des «Ariadne»-Mythos von Bohuslav Martinu kombiniert. Zwei Stücke – aus dem Jahr 1947 das erste, von 1959 das zweite –, die kaum einmal zu hören, geschweige denn zu sehen sind. Welche Klammer sollte sie verbinden? Hier die aus Varieté und Music-Hall gespeiste Verve der Poulenc’schen Tiresiade um eine Frau, die zum Mann, und einen Mann, der zur ...
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